Tiegenhof steht exemplarisch für das Ausblenden von Euthanasieverbrechen im besetzten Osten und damit für die Perspektivverengung der deutschen Geschichtswissenschaft auf die großen Mordzentren und nationalsozialistischen Taktgeber im sogenannten Altreich.
Robert Parzer nach Enno Schwanke -
nach einem Tagungsbericht: Von der „Euthanasie“ zum Holocaust. Parallelität oder Kausalität, in: H-Soz-Kult, 18.04.2017
Ab und zu frage ich in der heutigen Psychiatrischen Klinik "Diekanka" und weiteren einschlägigen Institutionen in Polen nach, ob authentische Unterlagen zu meiner Tante Erna Kronshage entdeckt worden sind, denn alle Krankenunterlagen und Akten scheinen tatsächlich vernichtet worden zu sein.
Diese Nachricht ist Eigentum des SPZOZ Wojewódzki Szpital dla Nerwowo i Psychicznie Chorych "DZIEKANKA" in Gniezno und kann vertrauliche oder rechtlich geschützte Informationen enthalten.
Übersetzt aus dem Polnischen mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)
Ein jüngst ausgewertetes Sterbetagebuch
der "Gauheilanstalt Tiegenhof"/Dziekanka-Gniezno, das sich im
MUZEUM MARTYROLOGICZNE W ŻABIKOWIE in Luboń-PL befindet, setzt in der hier am 23.10.2023 eingetroffenen Kopie aus einem der dort vorhandenen akribisch geführten Sterbetagebücher das Ableben von Erna Kronshage augenscheinlich auf den "19.II. [2.] 1944" fest - das Sonder-Standesamt in Tiegenhof/Gnesen beurkundet jedoch den "20.2.1944, um 9 Uhr 30" als Sterbedatum ...
In dem Sterbetagebuch der „Gauheilanstalt Tiegenhof“/Gniezno, das sich im MUZEUM MARTYRO-LOGICZNE W ŻABIKOWIE in Polen befindet, wird das Ableben von Erna Kro[h]nshage offensichtlich auf den „19.II. [2.] 1944“ datiert - zusätzlich ist vermerkt, dass der Leichnam am „24.II.44“ in einem „Eig. Sarg [nach]Westen“ verbracht wird. Die Konfession ist mit "evgl.“ vermerkt.
Die Sterbeurkunde des Sonder-Standesamtes der deutschen Besatzung in Tiegenhof/Gnesen, datiert das Datum des Ablebens auf den „20. Februar 1944, um 9 Uhr 30“.
Der nebenstehende Titel von 2017 beschäftigt sich in seinen Abschnitten in Teil II explizit mit den Zuständen
in der Anstalt "Tiegenhof"/Dziekanka besonders auch in den letzten Kriegsjahren.
Die z.T. reproduziert und abgedruckten, kommentierten Briefe vom Patienten Heinrich Wulf, der mit Erna Kronshage im gleichen Transport am 12.11.1943 aus Gütersloh nach "Tiegenhof" deportiert wurde, geben unverblümt Einblick in die dortige Situation - umd wenn auch die Briefe zensiert wurden und "geschönt" werden mussten, was Wulf auch offen nach Hause formuliert.
Heinrich Wulf überlebte die Tötungsanstalt - und sein Enkel Godehard Wulf konnte den lange verschwiegenen Opa und seinen Aufenthalt dort und seine Biografie anhand der hinterlassenen Briefe und Urkunden rekonstruieren.
Im Anhang dieses Sammelbandes werden die Opferzahlen im Tiegenhof beleuchtet - und es wird auf Aufzeichnungen verwiesen zu Sterbelisten, die ein unbekannter Patient oder Mitarbeiter hinterlassen hat, so dass damit noch manch blinde Opferbiografieflecken Farbe bekommen könnten.
Gajewska, Grazyna - Maria Tomczak, Marek Kazmierczak, Anna Ziolkowska, Ewelina Szurgot-Prus:
UNPRODUKTIVE ESSER
Studien über das Schicksal der Kranken und psychisch Belasteten unter der NS-Herrschaft
Poznan 2017, UNIWERSYTET IM. ADAMA MICKIEWICZA W POZNANIU, >>> lies die vollständige 156-seitige Yumpu-Lese-Kopie
„Czas Kultury” [Zeit der Kultur] erscheint in Polen kontinuierlich seit 1985. In den Anfangsjahren war die Zeitschrift durch dynamisches und kreatives Publizieren gekennzeichnet und eng mit den jungen literarischen Bewegungen verbunden. In den folgenden Jahren hat sich die Zeitschrift verändert, ihre Entwicklung resultierte direkt aus der sich wandelnden Realität, sowohl in der politischen als auch in der künstlerischen Dimension.
Derzeit ist „Czas Kultury” eine solide soziokulturelle Zeitschrift, die sich zum Ziel gesetzt hat, die wertvollsten und interessantesten Aspekte von Kunst, Kultur und aktuellen sozialen Angelegenheiten abzudecken. „Czas Kultury“ nimmt unterschiedliche Forschungsperspektiven wie kulturwissenschaftliche, literaturwissenschaftliche, philosophische, ethnologische oder soziologische ein. Jede Ausgabe hat einen großen thematischen Teil, zB „Bio[in]perfektion“, „[Anti]Mutterschaft“, „Dämonen der Wissenschaft“, bestehend aus wissenschaftlichen Artikeln, die alle dem Begutachtungsverfahren unterliegen. Die Mehrheit der Autoren, die die thematischen Sektionen bilden, hat einen akademischen Grad, und alle Mitglieder der Redaktion sind angesehene und anerkannte Gelehrte in ihren Wissenschaftsgebieten. Neben Artikeln zu bestimmten Themen veröffentlicht die Zeitschrift auch Essays, Prosa und Gedichte, Pressespiegel,
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Die Studie beleuchtet in ihrer Analyse die Geschehnisse an der einstigen polnischen Anstalt Dziekanka, die ab 1939 mit der Einnahme durch die deutsche Wehrmacht in Tiegenhof umbenannt und zunehmend zu einer Tötungsanstalt umfunktioniert wurde. Auf Grundlage von Zeugenaussagen und Strafermittlungsakten aus dem Bundesarchiv Ludwigsburg werden die Geschehnisse in Tiegenhof von 1939 bis 1945 rekonstruiert und gleichzeitig ein Schlaglicht auf die Anfänge der nationalsozialistischen Euthanasie geworfen. Die Studie weist nach, dass der frühe Patientenmord im Reichsgau Wartheland wesentlich durch das gaueigene SS-Sonderkommando Lange, eine eigene Euthanasie-Zentrale und den überzeugten Nationalsozialisten und Reichsstatthalter Arthur Greiser bedingt war.
Schwanke, Enno:
Die Landesheil- und Pflegeanstalt Tiegenhof
Die nationalsozialistische "Euthanasie" in Polen während des Zweiten Weltkrieges
Peter Lang Edition 2014
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Die Wojewodschafts-Anstalt für Psychiatrie Dziekanka (dann Gauheilanstalt Tiegenhof - Bezeichnung so durch die deutschen Besatzer) in der Nähe von Gniezno (damals deutsche Bezeichnung Gnesen) hat sich ab dem 11.09.1939 bis zum 21.01.1945 unter ihrem damaligen Direktor Dr.Victor Ratka rasch zu einer Tötungsanstalt entwickelt.
Dr. Ratka hat sofort nach Besetzung durch die deutschen Truppen mit den deutschen Okkupanten in allen Beziehungen kooperiert bzw. kolaboriert. So wurde er als Direktor übernommen, während andere polnische Anstalten nach der Besetzung deutsche Ärzte zum Chefarzt/Dirktor benannten. Er erwies sich als williger - ja eifriger Gehilfe bei den Tötungsaktionen der deutschen Besatzungskräfte - zunächst der polnischen Anstaltsinsassen per Gaswagen, die er persönlich Tag für Tag auswählte - und dann der "aus Luftschutzgründen evakuierten" deutschen Verlegungspatienten aus dem Reichsgebiet als neue "Sonderaufgabe", wie man die dezentral organisierten "wilden" Massentötungen zynisch bezeichnete, zu denen dann Ende 1943/Anfang 1944 Erna Kronshage gezählt werden muss.
1941 bis 1943 wurde Dr. Ratka mehrfach als T4-Gutachter nach Berlin einbestellt, wo er dann späterhin nach Aussetzung der "Aktion T4" hauptsächlich zur Selektionsauswahl bei sogenannten "asozialen KZ-Häftlingen" im Rahmen der "Aktion 14f13" u.a. in Dachau mitwirkte - und hierzu die Anstalt Tiegenhof zur "Zentrale" organisierte. Seine Vertretung bei Abwesenheit übernahm zuerst der Baltendeutsche Dr. Wladimir Nikolajew von Mai 1940 bis Juni 1942 (Quelle: Ernst Klee) - ehe dann Dr. Ratka auf seinen Chefarzt-Sessel in Tiegenhof zurückkehrte und von Dr. Wahrhold Ortleb in den Jahren 1942/43 vertreten wurde (Quelle: Ernst Klee).
Als Gipfel des Zynismus der deutschen Besatzer:
Für seine zweifelhaften "Besonderen Verdienste" wurde Dr. Ratka sogar für die "Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes II. Klasse" ernsthaft vorgeschlagen (ebenso wie später Dr. Walter Kipper, Leiter der "Kinderfachabteilung" in Tiegenhof und Organisator der sogen. "wilden Tötungen", wegen "erbbiologischen wichtigen Sonderaufgaben an hervorragender Stelle", Dr. Nikolajew und der Oberpfleger Wilhelm Jobst):
Text: "Dr. Ratka steht seit dem 26.10.1939 in den Diensten der Gauselbstverwaltung. Er hat sich bei dem Aufbau der deutschen Verwaltung als Direktor der Gauheilanstalt Tiegenhof, mit deren Leitung er seit dem Einmarsch der deutschen Truppen beauftragt wurde in hervorragender Weise beteiligt. Er ist wegen besonderer Verdienste in Vorschlag gebracht von der Kanzlei des Führers."
Vor Herbst 1939 war Dziekanka eine modern arbeitende polnische Anstalt der Wojewodschaft/des Bezirkes Posen/Poznan nach den damals dort vorherrschenden Standards.
Nach Einzug der deutschen Besatzer wurden zunächst die polnischen Insassen mittels „Gaswagen“ vernichtet, die zur Tarnung die harmlose Aufschrift "Kaisers Kaffee-Geschäft" trugen (ca.1.100 Patienten).
Das "Sonderkommando Lange" benutzte dazu einen Lieferwagen - eben mit der "Tarn"-Beschriftung "Kaiser's Kaffee". In dieser fahrbaren Gaskammer wurden geistig Behinderte aus dem Warthegau, Danzig, Ostpreußen und Pommern getötet. Die Mörder benutzten Kohlenmonoxid-Gas aus Gasflaschen. Diese Methode wurde später auch in den Gaskammern der Aktion T4 (NS-"Euthanasie") angewandt.
Als nächstes wurden dann die „aus Luftschutzgründen“ evakuierten Patienten aus den deutschen Landen — und zum Schluss des Krieges Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge, zumeist aus dem Osten umgebracht — nach Angaben der Klinik Dziekanka auf ihrer heutigen Homepage:
Übersetzung von Polnisch in Deutsch:
Die Zeit der Nazi-Okkupation 11.09.1939-21.01.1945
Dies ist eine einzigartige und tragische Periode in der Geschichte unseres Krankenhauses. Der Krankenhaus-Direktor war Dr. Victor
Ratka, der unmittelbar im Anschluß an die Invasion der Nazi-Truppen die deutsche Staatsbürgerschaft annahm und sich völlig veränderte in seiner Haltung zu den bestehenden Kollegen - Ärzten, anderes
Krankenhauspersonal und Patienten.
Ratka fing an, nur in Deutsch zu sprechen und die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer, vor allem Ärzte, Krankenschwestern und Verwaltungspersonal, wurde aus dem Krankenhaus entlassen, und zum Teil
mit ihren Familien deportiert ins Generalgouvernement. Ersetzt wurden sie durch deutsche Arbeiter.
Von Beginn der Besetzung wurde das Krankenhaus ein Ort der Nazi-Politik, ein Ort der Vernichtung der psychisch Kranken, in Übereinstimmung mit der Anweisung zum Patientenmord durch Hitler.
Ausgewählte Patienten wurde eine Intoxikation mit Chloral Scopolamin verabreicht, dann ins Auto geladen mit verschließbaren Behältern, damit die Abgase, die ins Auto geleitet wurden, nicht gesehen
wurden. Auf diese Weise vergast wurden anfangs Patienten in den Wäldern in einem Abstand von ca. 30-35 km von Gniezno. Die Gräber der Opfer dieser bestialischen Morde wurden leider bis jetzt nicht
gefunden.
Spätere Vernichtungsaktionen fanden auch mit unbekannten Chemikalien statt. Insgesamt getötet wurden während der Besetzung des örtlichen Krankenhauses 3586 [inWorten:
dreitausendfünfhundertsechsundachtzig] Patienten - Polen, Deutsche und Patienten anderer Nationalitäten.
Dr. Victor Ratka (Tiegenhof) gehörte zum ausgesuchten und "bewährten" "InnerCircle" der T4-Mordärzte, war er doch bei allen einschlägigen Planungen und Unterredungen immer aktiv beteiligt.
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Situation in der Tötungsanstalt Tiegenhof unter dem Chefarzt Dr. Ratka - belegt durch Zeugenaussagen:
Zitat aus dem Buch: Wunder, Genkel, Jenner: Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr - Die Alsterdorfer Anstalten im
Nationalsozialismus, Hamburg 1987, Seite 184 ff:
"Nachdem die früheren Insassen fast alle weggemordet waren, übernahm die „Gau-Heilanstalt Tiegenhof" ab Mitte 1941 die Funktion einer
Tötungsanstalt für Anstaltsinsassen, die aus dem nördlichen Reichsgebiet antransportiert wurden. Die Methoden waren Verhungernlassen und/oder Verabreichen von überdosierten Medikamenten wie Luminal,
Skopolamin und Chloralhydrat. Die Medikamente wurden teilweise durch Spritzen injiziert oder durch Klistiere eingeführt, zum Teil auch in der Nahrung aufgelöst. Vom Anstaltspersonal wurde bei
letzterer Methode von der „gelben Suppe" gesprochen. Auf diese Art und Weise sind im Tiegenhof noch einmal mindestens 1200 Menschen in den Jahren ab 1941 ermordet worden.
Die ab 14. November 1941 eintreffenden Hamburger Sammeltransporte gehörten mit zu den ersten neuen Opfern im Tiegenhof. Die Frauen wurden in Pavillon 5 untergebracht, die Männer in Pavillon 6. Beide Pavillons enthielten separate Tötungszimmer, in denen den wehrlosen und entkräfteten Opfern die Injektionen gegeben wurden oder die „gelbe Suppe" eingeflößt wurde.
Aus den späteren Aussagen einiger Familienangehöriger, die Besuche im Tiegenhof unternommen hatten, wissen wir, was die Opfer vor ihrer Tötung dort durchlitten haben müssen.
Die Mutter von Rolf Hink berichtete beim Ermittlungsverfahren gegen Pastor Lensch Ende der 60er Jahre, daß sie Pfingsten 1942 ihren Sohn täglich zweimal im Tiegenhof besucht habe. Er sei zu einem Skelett abgemagert gewesen. An den Beinen habe er große, offene Wunden gehabt. Sie habe festgestellt, daß alle Pfleglinge ärztlich ungenügend betreut waren. Die gleiche Beobachtung habe sie bei vielen anderen ehemaligen Pfleglingen der Alsterdorfer Anstalten gemacht, die sie im Tiegenhof wiedererkannt hatte. Diese Pfleglinge hätten alle jämmerlich und heruntergekommen ausgesehen. Ihr Sohn und andere Pfleglinge hätten ihr gegenüber geklagt, daß es täglich lediglich Sauerkohl und eine Art Wassersuppe zu essen gegeben habe. Im August 1942 sei sie nach einer Mitteilung der Anstalt, daß ihr Sohn schwer erkrankt sei, wiederum nach Tiegenhof gefahren. Sie sei dort an sein Bett vorgelassen worden, ihr Sohn sei aber nicht mehr ansprechbar gewesen. Sie habe dort den ganzen Tag über gesessen. Der Stationsarzt, den sie gefragt habe, ob ihr Sohn noch einmal das Bewußtsein erlangen werde, habe zu ihr wörtlich gesagt: „Er ist fällig." Während sie am Bett gesessen habe, sei ihr aufgefallen, daß er stark nach Morphium gerochen habe. Sie habe den Eindruck gehabt, daß man ihren Sohn wie auch die anderen bewußt verhungern ließ. [Zeugenaussage Hink, Vernehmungen zum Verfahren 147 Js 58/67, Band II Blatt 204 ff.] Rolf Hink starb am 7. 8. 1942 im Tiegenhof. Als Todesursache wurde „Fieberhafter Darmkatarrh" angegeben.
Auch die spätere Aussage des Vaters von Herbert Barkmann beschreibt die ungeheuerlichen Zustände im Tiegenhof. Seine Frau besuchte dort den Sohn im Februar 1942. Sie habe feststellen können, daß der Junge völlig unzureichend ernährt gewesen sei. Mittags hätten die Pfleglinge Wassersuppe und zum Abendbrot zwei Scheiben trockenes Brot sowie Pellkartoffeln erhalten, die aus der Hand des Pflegers auf die Scheiben Brot gequetscht wurden. Die Pfleglinge seien wie Vieh gefüttert worden. Seine Frau sei von den Verhältnissen im Tiegenhof völlig erschüttert gewesen. Etwa eine Woche vor Ostern 1941 hätten sie die Nachricht erhalten, daß der Sohn verstorben sei, mit der Anfrage, ob eine Beerdigung im Tiegenhof oder eine Einäscherung in Frankfurt/Oder stattfinden solle. Sie hätten sich entschlossen, ihren Sohn im Tiegenhof beerdigen zu lassen. Er sei nach Tiegenhof gefahren und sei dort am 2. Osterfeiertag 1942 eingetroffen.
Er sei von der Bahn aus direkt zur Leichenhalle gegangen und habe gehofft, dort seinen Sohn zu sehen. In der Halle hätten mehrere Särge gestanden. Er habe einige Deckel abgehoben und in einem Sarg die Leiche seines Sohnes gefunden. Sie hätte auf ihn einen jämmerlichen Eindruck gemacht. Sein Sohn sei bis zum Skelett abgemagert gewesen. An der linken Schläfe habe er deutlich sichtbar einen großen blau-dunklen Fleck gehabt. Auf dem Wege zur Verwaltung habe er den Leitenden Anstaltsarzt, der das Goldene Parteiabzeichen trug, getroffen. Auf die Frage, woran sein Sohn gestorben sei, habe dieser wörtlich gesagt: „... woran sie alle starben". Dabei habe er auf sein Goldenes Parteiabzeichen gepocht. Als er dann in der Verwaltung die Sterbeurkunde und weitere Papiere seines Sohnes in Empfang genommen habe, habe er in der Pförtnerloge, wo er einige Zeit warten mußte, einen großen Karton mit Ampullen gesehen. Ihm sei damals klar gewesen, daß die Pfleglinge im Tiegenhof getötet wurden. Nach seiner Rückkehr habe er dem damaligen Hamburger Reichsstatthalter Karl Kaufmann in einem Brief berichtet, was er im Tiegenhof erlebt hatte. Darauf sei ihm sinngemäß geantwortet worden, er solle den Mund halten, er wisse wohl nicht, daß man sich gegen einen Führerbefehl nicht beschweren dürfe.
[Zeugenaussage Barkmann, Vernehmungen zum Verfahren Az. 147 Js 58/67 gg. [Pastor Friedrich Karl] Lensch und Dr. [Kurt Gerhard] Struve (s.o. - in den Hamburger NS-"Euthanasie"-Durchführungen verstrickt = Langenhorner und Alsterdorfer Anstalten), Band I Blatt 195 ff.]"
Videos aus Tiegenhof/Gnesen bzw. Dziekanka/Gniezno:
Höre einen stummen Schrei. Teatr Fredry über die Vernichtung von "Dziekanka"-Patienten
28. Juni 2019
In der Geschichte des damaligen Mordes an mehreren tausend Patienten in der psychiatrischen Klinik in Dziekanka in Podgórze, der im Rahmen der „Operation T4“ stattfand, gibt es noch viele Unbekannte. Es wurden keine Opfer gefunden. Plötzlich verschwanden mehr als 3.500 Patienten. Es ist, als wäre die Kleinstadt „verdampft“ oder die Wohnsiedlung von Gniezno getrennt worden. Das Bewusstsein für die Verbrechen der deutschen Besatzer in ihrer Stadt ist bei den Einwohnern von Gniezno noch sehr gering. Seit Jahren bitten Wissenschaftler um die Erinnerung an diese Opfer.
Jetzt ergriff das Fredry-Theater das Wort, inszenierte Tiegenhof (deutscher Name Dziekanki) im Rahmen von Künstlerresidenzen und drückte dieses schmerzliche Thema erstmals in der Geschichte der Stadt lautstark in die Öffentlichkeit. Wo ist – auch heute – die Grenze, kranke Menschen aus der Gesellschaft auszugrenzen?
Noch immer ist nicht genug bekannt über das perfide Verbrechen der Vernichtung von Geisteskranken, das sich in ganz Europa abspielte und auch von Gniezno und dem
Krankenhaus in Dziekanka schmerzlich zu spüren war. Deutsche „Tötungsingenieure“ verwischten fleißig ihre Spuren, fälschten Dokumente, führten Familien in die Irre, und bis heute sind die Opfer
dieser Tragödie nicht zu finden. Wir wissen nur, dass diese kleine Stadt der namenlosen Menschen irgendwo unter der Erde liegt, etwa 30 km von Gniezno entfernt. Diese Menge konnte durch die
Zeitermittlung von Transporten mit mobilen Gaskammern ermittelt werden, die während der Besatzungswirklichkeit zum Transport von Patienten eingesetzt wurden.
In Polen, das sich nach dem Krieg im Wiederaufbau befand, wurde dieses Thema an den Rand gedrängt. Die Öffentlichkeit und die Behörden hatten größere Bedürfnisse als die
Aufarbeitung von Verbrechen gegen namenlose Personen, die Jahre hinter den Mauern des psychiatrischen Zentrums verbracht hatten und für die Gesellschaft von Gnesen waren sie Fremde, die irgendwo in
Gebäuden auf dem Feld auf dem Weg nach Poznań eingesperrt waren. Für viele waren es nur „sie“. - Wir greifen nach einer Geschichte, die alle Einwohner von Gniezno kennen, über die aber wenig
gesprochen wird - Joanna Nowak, Direktorin des Fredry-Theaters, erzählt von der Idee, dieses schwierige Thema umzusetzen. -
Diese Geschichte ist tragisch und sehr schmerzhaft, und gleichzeitig zeigt sie deutlich, wie die deutschen Besatzer auf totalitäre Weise „unnötige“, ausgegrenzte und als unwürdig geltende Menschen ausrotteten. Aktion T4, die in den 1940er Jahren durchgeführt wurde, umfasste ganz Europa, und in ihrem Rahmen wurden psychisch und körperlich Kranke, also Personen, die nicht in die Gesellschaft passen, ausgerottet. In Gniezno ist diese schmerzhafte Geschichte etwas in Vergessenheit geraten. Wir wissen nicht genau, wo die ermordeten Menschen begraben sind oder wie es genau aussah. Fetzen von Dokumenten sind erhalten. Wir wollen es ausgraben, anfangen darüber zu reden. Da es sich bei den Opfern um Menschen mit Behinderungen handelte, ist es ein Tabuthema - stellt sie fest und fügt hinzu: -
Wir wollen auch Geister heraufbeschwören, vergessene, namenlose Menschen, von denen wir nichts wissen, daran erinnern, Zeugnis abzulegen . Vielleicht ist es eine Warnung für uns und die nächsten Generationen. Fetzen von Dokumenten sind erhalten. Wir wollen es ausgraben, anfangen darüber zu reden. Da es sich bei den Opfern um Menschen mit Behinderungen handelte, ist es ein Tabuthema - stellt sie fest und fügt hinzu: - Wir wollen auch Geister heraufbeschwören, vergessene, namenlose Menschen, von denen wir nichts wissen, daran erinnern, Zeugnis abzulegen . Vielleicht ist es eine Warnung für uns und die nächsten Generationen. Fetzen von Dokumenten sind erhalten. Wir wollen es ausgraben, anfangen darüber zu reden. Da es sich bei den Opfern um Menschen mit Behinderungen handelte, ist es ein Tabuthema - stellt sie fest und fügt hinzu: - Wir wollen auch Geister heraufbeschwören, vergessene, namenlose Menschen, von denen wir nichts wissen, daran erinnern, Zeugnis abzulegen . Vielleicht ist es eine Warnung für uns und die nächsten Generationen.
Tiegenhof - die unbearbeitete Erinnerung der Einwohner von Gniezno
„Tiegenhof“ ist ein formal sehr sparsames Stück, das auf dem Theaterplatz aufgeführt wurde. Es wurde mit der Theatergesellschaft aus Gniezno von österreichischen Künstlern geschaffen, die im Rahmen
von künstlerischen Residenzen in Gniezno gearbeitet haben. - Ich bin definitiv gegen die Stigmatisierung von psychisch Kranken. Sie müssen im Mittelpunkt unserer Gemeinschaft stehen, nicht in der
Ecke. Während der deutschen Besatzung seien sie abtransportiert, als lebensunwert behandelt worden, sagt die österreichische Regisseurin Martina Gredler. Wie sie hinzufügt, war es nach der Einladung
nach Gniezno das Thema „Dziekanka“, das sie sehr berührt habe. -
Ich bin in Gniezno spazieren gegangen und habe mich für "Dziekanka" interessiert. Ich begann mich für die Geschichte dieser Stadt und ihrer Bewohner zu interessieren. Ich fing an, mich zu fragen – wo sind zum Beispiel die Juden. Wenn man um die "Dziekanka" herumgeht, die Tatsache, dass hier sogar 5.000 Menschen ermordet wurden und dass man sie nicht sehen kann.
Diese Verschleierung im öffentlichen Bewusstsein, dass es solche Opfer in der allgemeinen Erinnerung nicht gibt, dass sie an der Seitenlinie lebten und getötet wurden,
ist schmerzhaft. „Unsere Produzenten interessierten sich aus gutem Grund für dieses Thema“, bemerkt J. Nowak. - In Deutschland und Österreich, also in Ländern, die mit ihrer Vergangenheit ein solides
Siedlungsgepäck haben - junge Generationen, und unsere Künstler sind sehr jung -, muss man darüber reden, darüber Rechenschaft ablegen. Nicht so sehr, um das zu rechtfertigen, als um davor zu warnen,
nie wieder.
Erinnern wir uns daran. Dieses „Nie wieder“ ist bei jungen Deutschen und Österreichern stärker ausgeprägt als in den Herkunftsländern der Ermordeten. Unter ihnen waren Polen, Deutsche und Juden, also sind wir hier zu den Quellen der jüdischen Diaspora vorgedrungen und haben auch unter dieser Nationalität nach Opfern gesucht. Die Opfer waren multinational und die Deutschen benutzten hier einen Schlüssel. Nicht Polen, nicht Slawen, sondern diejenigen, die nicht in diese fantastische Weltordnung passen, die nach dem Sieg des Reiches geboren werden sollte. Das zeige, dass sich jeder – unabhängig von Nationalität oder Herkunft – aus dem einen oder anderen Grund von der Gesellschaft stigmatisiert und abgelehnt fühlen könne, sagt der Regisseur.
In jedem von uns steckt ein „grauer Mann.“ Die Schauspieler, die die Rolle von Patienten spielen, streifen durch die Krankenhausflure. Hin und wieder gibt es Zeugnisse
ihrer Tragödie. Es werden Fragmente von Briefen an das Krankenhaus gesprochen, in denen die Familien der Kranken im Krankenhaus nach ihrem Schicksal fragen. Ich warte hoffentlich auf Ihre Antwort.
Die Kranken sind weg. Sie verschwanden. Trotzdem lügen die Krankenhausbehörden in der Korrespondenz. Sie verlangen Geld für ihren Unterhalt oder ihre Beerdigung.
Das Bühnenbild ist asketisch, ebenso wie die Form der Show selbst. Passive Bewegung dominiert. Schweigen. Die Schauspieler sind in eine gewisse "Antike" gekleidet,
Sepia. - Diese Sepia-Farben in Kostümen sind aus unserer Vorbereitung entstanden, um das Thema aufzugreifen. Bei einem Spaziergang durch die Stadt ist uns aufgefallen, dass auch die Architektur in
dieser Farbe gehalten ist. Ebenso Dokumente, Fotos und es war klar, dass diese Farben uns inspirieren und verwenden würden – ergänzt Anna-Luisa Vieregge, Bühnenbildnerin und Kostümbildnerin.
Vergilbte Seiten flattern über der Veranstaltung im Wind. Darunter ein Brief von Piotr Szczęsny, einem „grauen Mann“, der sich 2017 zur Verteidigung der Freiheit gegen die autoritären Tendenzen der
Macht selbst in Brand gesetzt hat. „Ich leide seit mehreren Jahren an Depressionen, also bin ich ein sogenannter ein psychisch kranker Mensch“, schrieb er. Sein tragisches Zeugnis von Hilflosigkeit,
Schmerz und Mahnung zur Erinnerung berührte die Gesellschaft nur kurz. Einige der politischen Eliten verspotteten diese Geste und verwiesen auf eine Geisteskrankheit, obwohl der Autor des Briefes
selbst zugab, dass seine Krankheit nur Schlaflosigkeit, reduzierte Energie und ein dunkleres Sehen der Welt seien. Trotzdem funktioniert es normal. Sein Eingeständnis der Krankheit beraubte viele
seiner Würde.
"Weil er psychisch krank ist." Ist die Ignoranz von Menschen mit Behinderungen heute nicht viel geringer als früher? Stehen solche Leute noch an der Seitenlinie oder werden sie an den Rand gedrängt? Wird jemand für diese Menschen in ihrer Krankheit Anspruch erheben, wenn der Prozesstag wieder kommt?
ALEKSANDER KARWOWSKI
Gepostet in Kultura , Rotator
http://przemiany.gniezno.pl/uslyszec-niemy-krzyk-teatr-fredry-o-eksterminacji-pacjentow-dziekanki/ - übersetzt mit dem automatischen google-translator aus dem Polnischen ins Deutsche.
Wir beginnen die 7. Künstlerische Residenzen und ausländische Theaterkünstler werden wieder nach Gniezno kommen. Dies ist eine weitere Residenz, aber die erste derartige Premiere: nicht auf der Bühne, sondern im Raum des neuen multifunktionalen Platzes vor dem Theater.
In diesem Jahr beherbergt das Fredro Theater zwei österreichische Künstlerinnen – die Regisseurin Martina Gredler und die Bühnenbildnerin, Kostüm- und Raumgestalterin Anna-Luisa Vieregge Besetzung durch die Nazis.
Besondere Aufmerksamkeit möchten die Autoren einer tragischen Episode in der Geschichte unserer Stadt widmen, als 1939-45 das heutige Landeskrankenhaus für Nerven- und Geisteskranke in Gniezno in „Gauheilanstalt TIEGENHOF“ umbenannt wurde. Damals ermordete das Sonderkommando Lange im Rahmen der „Aktion T4“ mehrere tausend unschuldige Menschen im Bereich der heutigen „Dziekanka“.
Niemand kennt die Toten. Niemand weiß, wo sie begraben sind. Niemand erinnert sich an sie. Ihnen will das Projekt „Tiegenhof“ angemessen Zeit und Raum widmen
Meine Tante Erna Kronshage wurde in der Vernichtungsanstalt "Tiegenhof" bei Gnesen (Dziekanka-Gniezno - PL) 1944 im Zuge der "Euthanasie"-Phase "Aktion Brandt" ermordet.
2011 hat das MUZEUM MARTYROLOGICZNE W ZABIKOWIE ein Gedenk-VideoFeature mit dem Titel "Tiegenhof" - besonders für die 1.044 polnischen NS-"Euthanasie"-Opfer zu Beginn der Okkupation durch das SS-Sonderkommando Herbert Lange (1939-1941) - fertiggestellt, das die Atmosphäre dieser Vernichtungs-Anstalt zu diesem Zeitpunkt sichtbar machen will - und auch den insgesamt wohl über 5.000 Opfern hier zwischen 1939 und 1945 ein Denkmal setzen will ...