in der Erna-Kronshage-Recherche zu Internierung, Deportation
& Ermordung
Ein jüngst ausgewertetes Sterbetagebuch
der "Gauheilanstalt Tiegenhof"/Dziekanka-Gniezno, das sich im
MUZEUM MARTYROLOGICZNE W ŻABIKOWIE in Luboń-PL befindet, setzt in der hier am 23.10.2023 eingetroffenen Kopie aus einem der dort vorhandenen akribisch geführten Sterbetagebücher das Ableben von Erna Kronshage augenscheinlich auf den "19.II. [2.] 1944" fest - das Sonder-Standesamt in Tiegenhof/Gnesen beurkundet jedoch den "20.2.1944, um 9 Uhr 30" als Sterbedatum ...
In dem Sterbetagebuch der „Gauheilanstalt Tiegenhof“/Gniezno, das sich im MUZEUM MARTYRO-LOGICZNE W ŻABIKOWIE in Polen befindet, wird das Ableben von Erna Kro[h]nshage offensichtlich auf den „19.II. [2.] 1944“ datiert - zusätzlich ist vermerkt, dass der Leichnam am „24.II.44“ in einem „Eig. Sarg [nach]Westen“ verbracht wird. Die Konfession ist mit "evgl.“ vermerkt.
Die Sterbeurkunde des Sonder-Standesamtes der deutschen Besatzung in Tiegenhof/Gnesen, datiert das Datum des Ablebens auf den „20. Februar 1944, um 9 Uhr 30“.
Der nebenstehende Titel von 2017 beschäftigt sich in seinen Abschnitten in Teil II explizit mit den Zuständen
in der Anstalt "Tiegenhof"/Dziekanka besonders auch in den letzten Kriegsjahren.
Die z.T. reproduziert und abgedruckten, kommentierten Briefe vom Patienten Heinrich Wulf, der mit Erna Kronshage im gleichen Transport am 12.11.1943 aus Gütersloh nach "Tiegenhof" deportiert wurde, geben unverblümt Einblick in die dortige Situation - umd wenn auch die Briefe zensiert wurden und "geschönt" werden mussten, was Wulf auch offen nach Hause formuliert.
Heinrich Wulf überlebte die Tötungsanstalt - und sein Enkel Godehard Wulf konnte den lange verschwiegenen Opa und seinen Aufenthalt dort und seine Biografie anhand der hinterlassenen Briefe und Urkunden rekonstruieren.
Im Anhang dieses Sammelbandes werden die Opferzahlen im Tiegenhof beleuchtet - und es wird auf Aufzeichnungen verwiesen zu Sterbelisten, die ein unbekannter Patient oder Mitarbeiter hinterlassen hat, so dass damit noch manch blinde Opferbiografieflecken Farbe bekommen könnten.
Gajewska, Grazyna - Maria Tomczak, Marek Kazmierczak, Anna Ziolkowska, Ewelina Szurgot-Prus:
UNPRODUKTIVE ESSER
Studien über das Schicksal der Kranken und psychisch Belasteten unter der NS-Herrschaft
Poznan 2017, UNIWERSYTET IM. ADAMA MICKIEWICZA W POZNANIU, >>> lies die vollständige 156-seitige Yumpu-Lese-Kopie
Da Entlassungen aus dem Anstaltsbereich immer mehr erschwert werden - und schließlich geradezu rechtswidrig "untersagt" werden, sitzt Erna Kronshage nach der Zwangssterilisation"in der Falle"- und auch die Entlassungsgesuche des noch sorgeberechtigten Vaters führen ins Leere ...
"Betr.: Verlegung von Insassen der Heil- und Pflegeanstalten aus luftbedrohten Gebieten.Z.Zt. werden in größerem Umfange Verlegungen von Geisteskranken aus luftgefährdeten Gebiete in andere Anstalten durchgeführt. Wie bisherige Erfahrungen gezeigt haben, suchen Angehörige die Verlegung von Kranken dadurch zu vermeiden, daß sie sie auch gegen ärztlichen Rat nach Hause nehmen. Nach kurzer Zeit werden dann die Kranken der Anstalt wieder übergeben.So sehr die Entlassung von Geisteskranken aus der Anstalt erwünscht ist, sobald ihr Geisteszustand dies zuläßt, so führen doch zu frühzeitige Entlassungen gerade in luftgefährdeten Gebieten zu unerwünschten Zuständen. Der Aufenthalt geistig anbrüchiger Personen in Luftschutzräumen usw. kann sehr leicht zu Unzuträglichkeiten führen, da sie in ihrem Verhalten unberechenbar sind.
Wird die Entlassung seitens der Angehörigen erst nach der Verlegung erwirkt, der Kranke also wieder in das luftgefährdete Gebiet zurückgebracht und dort nach kurzer Zeit wieder in die Anstaltsbehandlung gegeben, so ist die ganze Verlegung umsonst gewesen.
Ich ersuche daher, Geisteskranke aus luftgefährdeten Gebieten - sei es vor, sei es nach der Verlegung - nur zu entlassen, wenn sie als geheilt anzusehen sind oder mindestens zu erwarten ist, daß sie sich längere Zeit in Freiheit halten werden.
[Man denke an die Eingaben vom Vater Adolf Kronshage zur baldigen Entlassung von Erna im Zuge des Zwangssterilisierungs-Verfahrens - aber nun - nach der Sterilisierung - bestand eigentlich kein gesetzlich notwendiger Grund mehr, die immer noch bestehenden Ersuchen des Vaters abzulehnen ...] - und so heißt es auch weiter:
Gegebenenfalls ist die Entlassung zu verweigern.
Bei Geisteskranken, die aufgrund der im Einzelfall gegebenen gesetzlichen Voraussetzungen (z. B. polizeiliche Einweisung wegen Gemeingefährlichkeit usw.) zwangsweise in der Anstalt zurückbehalten werden können, besteht ohne weiteres die Grundlage für die Ablehnung von Entlassungsgesuchen.In Ermangelung einer solchen Grundlage wird der Anstaltsleiter die für den Bereich der Anstalt geltenden landesrechtlichen Bestimmungen über die zwangsweise Zurückbehaltung von Geisteskranken in geschlossenen Anstalten zur Anwendung bringen müssen.Falls notwendig wird hierbei auch die Mithilfe der Polizei in Anspruch zu nehmen sein."
Reichsministerium des Inneren
gez. i. A. Dr. [med. Fritz] Cropp
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Von: LWL-Archiv, Münster
Sehr geehrter Herr Wieand,
nachdem ich bereits mehrmals im Archiv LWL im Bestand 661 (LWL-Klinik Gütersloh) nach Informationen über Erna Kronshage recherchiert
habe, halte ich es für unwahrscheinlich, dass sich – trotz vielversprechender Aktentitel im Findbuch – noch bislang unbekannte Informationen über Erna Kronshage im Archivbestand befinden. Sofern
Korrespondenzen der Anstalt mit Angehörigen von verlegten Personen geführt worden sind und es hierzu eine Aktenführung dieser Unterlagen außerhalb der Patientenakten gegeben haben sollte, so sind
diese Akten nicht im Archiv LWL überliefert, weder im Bestand 661 noch in den anderen hier vorliegenden Klinikbeständen. Es tut mir aufrichtig leid, dass ich Ihnen zu diesem Sachverhalt keine
positivere Information übermitteln kann.
Sollten Sie dennoch Dritte mit einer Recherche beauftragen wolllen, so finden Sie auf der Homepage des Landesarchivs
Nordrhein-Westfalen eine Liste mit Recherchedienstleistern für OWL (https://www.archive.nrw.de/landesarchiv-nrw/geschichte-erfahren/familienforschung/zum-einstieg).
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Hans-Jürgen Höötmann
7.06.2023
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: eddywieand@onlinehome.de <eddywieand@onlinehome.de>
Gesendet: Montag, 5. Juni 2023 11:13
An: Höötmann, Hans-Jürgen <Hans-Juergen.Hoeoetmann@lwl.org>
Betreff: Aw: AW: Recherche zum Aktenverbleib betr. meine Tante Erna Kronshage
Sehr geehrter Herr Höötmann,
danke für Ihre Rückmeldung. Auch Herr Meißnest aus Gütersloh meint, die vielleicht relevanten Unterlagen lagerten jetzt wohl in Gänze
in Münster (Archiv LWL).
Ich habe unter dem umfangreichen Archivportal im Menüpunkt „Gesundheitswesen und Psychiatrien/Einzelne Einrichtungen“ das
Online-Findbuch zum Bestand 661 (LWL-Klinik Gütersloh) angeclickt - und eine relative spannende Stichworte dazu gefunden.
Aber ich weiß nicht, wie ich konkret an Infos komme, ob und wo sich ggf. definitiv Dokus zur Causa Erna Kronshage aus 1943 finden
ließen.
Inwieweit geben Findbücher und Verzeichnisse auch dazu Auskunft - oder wie kommt man in Recherchen einem eventuellen relevanten
Bestand auf die Spur ?
Gibt es beim LWL-Archiv Experten-"Scouts", die man (vielleicht auch gegen Entgelt) mit einer diesbezüglichen Recherche betrauen kann
?
Für Familienforscher und Genealogen gibt es ja Info-Sprechstunden zu solchen Fragen - aber ich weiß nicht, ob so etwas auch für den
Bestand 661 existieren könnte ???
Ich freue mich auf eine diesbezügliche Rückantwort - herzliche Grüße
Edward Wieand
Gesendet: Montag, 22. Mai 2023 um 12:47 Uhr
Von: "Höötmann, Hans-Jürgen" <Hans-Juergen.Hoeoetmann@lwl.org>
An: "'eddywieand@onlinehome.de'" <eddywieand@onlinehome.de>
Betreff: AW: Recherche zum Aktenverbleib betr. meine Tante Erna Kronshage
Sehr geehrter Herr Wieand,
im Zweifel lässt sich nie hundertprozentig genau klären, ob alle historisch relevanten Unterlagen in das Archiv des
Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (Archiv LWL) gelangt sind, oder ob sich - aus welchen Gründen auch immer - noch entsprechendes Material vor Ort befindet. Auch wenn in der Gütersloher Festschrift
„Von der Provinzialheilanstalt zum LWL-Klinikum Gütersloh“, Ute Pothamann u.a. (Köln 2019), in den Fußnoten häufig der Begriff „Archiv LWL-Klinikum“ auftaucht, denke ich, dass ein Großteil der
Aktenüberlieferung sich mittlerweile im Archiv LWL befindet.
Im Archivportal „Archive in Nordrhein-Westalen“ (www.archive.nrw.de <http://www.archive.nrw.de> ) finden Sie unter dem Archiv des
Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe im Menüpunkt „Gesundheitswesen und Psychiatrien/Einzelne Einrichtungen“ auch das Online-Findbuch zum Bestand 661 (LWL-Klinik Gütersloh). Die wünschenswerte
Transparenz der hier vorhandenen Quellen zur Klinik in Gütersloh ist damit gewährt.
Ich bin gespannt, was ihre Anfrage an die Klinik und das Stadtmuseum erbringt. Sofern sich herausstellen sollte, dass sich an diesen
Stellen noch Unterlagen befinden, wäre ich für eine Benachrichtigung überaus dankbar.
Mit besten Grüßen
Im Auftrag
Hans-Jürgen Höötmann
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: eddywieand@onlinehome.de <eddywieand@onlinehome.de>
Gesendet: Freitag, 19. Mai 2023 11:17
An:
info@lwl-klinik-guetersloh.de;
info@stadtmuseum-guetersloh.de;
Höötmann, Hans-Jürgen <Hans-Juergen.Hoeoetmann@lwl.org>
Betreff: Recherche zum Aktenverbleib betr. meine Tante Erna Kronshage
LWL-Klinik Gütersloh Herrn Bernd Meißnest,
LWL-Archiv, Münster, Herrn Höötmann,
Stadtmuseum Gütersloh
Sehr geehrte Damen und Herren,
seit fast 40 Jahren recheriere ich das Patientenschicksal meiner Tante Erna Kronshage, die von Herbst 1942 bis zu ihrer Depotation im
November 1943 Patientin in der Provinzial-Heilanstalt Gütersloh war.
Durch das Auffinden der Erbgesundheitsakte im Stadtarchiv Bielefeld und der Lektüre der einschlägigen Literatur konnte ich den
Aufenthalt in Gütersloh einigermaßen recherchieren, allerdings fehlen mir konkrete Unterlagen direkt zu ihrer polizeilichen Einweisung am 24.10.1942 - und Unterlagen und z.B. die Korrespondenz
zwischen Heilanstalt und ihrem Elternhaus ab August 1943 bis zu ihrer Deportation - sowie Unterlagen zu dem Verlegungsbeschluss nach Tiegenhof/Gnesen und die dazu erfolgte Korrespondenz mit den
damals noch sorgeberechtigten Eltern, die m. E. nicht unbedingt ausschließlich nur Teil ihrer nicht auffindbaren Krankenakte in Tiegenhof/Dziekanka sein müssten, da Durchschläge und Kopien sicherlich
auch im Bestand der Heilanstalt verblieben.
Das Stadtmuseum Gütersloh zeigte in 2020 zum 100-jährigen Bestehen der LWL-Klinik Gütersloh eine Ausstellung und berichtete in dem
Begleittext dazu von der "historische Sammlung im LWL-Klinikum, die dort in mehreren Büro- und Kellerräumen lagerte".
Solchen wohl etwas gestreut untergebrachten Beständen erwähnte zu Beginn meiner Recherche auch Frau Dr. Jutta M. Bott, die damals als
Psychologin im Klinikum tätig war.
Auch die "Schriftliche Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt": "Psychiatrischer Alltag im Nationalsozialismus"
von Rudolf Hans, Bochum 1983, erwähnte damals derartige Bestände in Gütersloh.
Sind in diesen Beständen ggf. Unterlagen zu den oben genannten "weißen Flecken" in der Recherche zum Schicksal meiner Tante
gegeben?
Meine konkreten Fragen lauten nun: 1. Liegen solche einsehbaren Bestände in der Historischen Sammlung im LWL-Klinik Gütersloh
vor?
2. Sind diese Unterlagen inzwischen in Gänze ins LWL-Archiv nach Münster verbracht worden?
3. Befinden sich solche infragekommenden Unterlagen seit 2020 dauerhaft im Stadtmuseum Gütersloh?
Für eine jeweilige detaillierte Rückantwort oder auch konkrete Tipps zum Verbleib wäre ich Ihnen dankbar.
Danke - mit freundlichen Grüßen
Edward Wieand
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