484=4
Leidensweg-Bildmeditation
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Digital-virtuelles Triptychon
IN MEMORIAM ERNA KRONSHAGE
2014/2016
»Ein Bild lebt in Gemeinschaft, indem es sich in den Augen des einfühlsamen Betrachters entfaltet und dadurch in ihm auf-lebt. Es stirbt, wenn diese Gemeinschaft fehlt.«
Mark Rothko, 1947
KEIN VERGESSEN . KEIN BESCHWEIGEN
angeregt
durch einen artikel in der ZEIT vom schriftsteller maxim biller über ein treffen mit dem lyrikerkollegen durs grünbein - und ihren austausch über die chronische "deutsche depression" ... - zitat:
"Du kannst nicht auf Deutsch schreiben und denken", sagte Durs neulich zu mir, als wir uns nach langer Zeit mal wieder getroffen haben, "wenn du nicht ständig das große deutsche Menschheitsverbrechen mitdenkst und -fühlst."
habe ich das allzu glatte porträtphoto erna kronshages von 1941/42 spontan gänzlich überarbeitet mit groben expressiven digitalen filter- und graphicelementen - denn so glatt wie auf dem photo lief es ja nie mit ihr: als "sehr abweisend, frech & schnippisch" wird erna kronshage in der erbgesundheitsakte vom behandelnden ns-arzt beschrieben - und so habe ich mir spontan diese zeilen dazu überlegt - eben zu einer vielleicht ihrem eigentlichen schicksal und ihrem charakter angemesseneren profilgebung dieses ursprünglich so makellosen photos:
bildpoem
verschorfte schrunde wunden -
das blatt papier ist
ungeduldig.
es hält nicht still, wenn der füllfederhalter drüber kratzt.
es bläht sich auf, wellt sich, faltet sich, wehrt sich.
nur das zersprungene spiegelglas entziffert die sätze,
wenn man ihm das bekritzelte papier vorhält.
die ganze geschichte bleibt für immer unaussprechlich:
der nachhall der worte ist längst verklungen.
der kampf des lebens war schon verloren, ehe er begann.
sie haben es sich erspart, dir vor dem schlussgong das handtuch zu werfen,
auf dem deine initialen
in schwarzer sütterlinschrift so prunkvoll eingestickt waren.
deine scherben haben all das
glück dieser welt verschluckt -
sie haben dir nichts erbracht und sich verweigert.
schütt die kartoffelgülle aus dem blecheimer
darin schwimmt die stärke deiner zeit.
da sind keine fettaugen, kein schaum, keine bläschen.
ab durch den gullideckel.
da fehlt die begegnung - ein zwiegespäch
ein hinüber und herüber mit blicken
das verstehen und widerstehen.
da fehlt ein aufbäumen mit geiferschaum in den lefzen.
da fehlt ein einfaches veralberndes lächeln
und ein wissen, woran du bist.
die, die wissen, sagen nichts
und die, die wussten, haben ihr verschweigen
mit ins grab genommen.
es gab keine anklage, keinen prozess
es reicht vielleicht
für eine lückenhafte spurenlese -
ohne abschließendes ergebnis.
wo sollen wir
die vorübergehenden erkenntnisse abheften
und versiegeln
. eins draufsetzen
die schwarzrussig bleckende petroleumleuchte
auf der deele
war die einzige lichtquelle
bei der heimlich durchgeführten leichenschau
überliefert ist,
dass auf den schneebedeckten feldern
die rabenkrähen bis in die dämmerung hinein
aufgebracht durch die friedhofsruhe krächzten.
ansonsten waren alle zum stillschweigen verdonnert worden
-
und somit ähnelte die nachfleddernde leichenschau
wahrscheinlich einer schwarz-schlachtung
- ohne der sonst üblichen trichinenuntersuchung
und den amtlichen papierregistern und freigabestempeln:
stickum und einfach -
ohne viel worte und gedöns.
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