Erna Kronshage . E-Papers . E-Book . Videos . IN MEMORIAM . NS-"Euthanasie" | Bluesky | Impressum . Über mich . sinedi@rt
Seit 1986
versuche ich, dem viel zu kurzen Leben meiner Tante Erna Kronshage auf die Spur zu kommen.
Die Beiträge dieser Website dokumentieren zunächst Ernas Kindheit ab 1922 als jüngstes Kind in einer 13-köpfigen
bäuerlichen Großfamilie.
Ab Oktober 1942 entwickelt sich dann aber eine 484-tägige verhängnisvolle Ereigniskette – Schlag-auf-Schlag:
Erna ist inzwischen als dienstverpflichtete »Haustochter« in der elterlichen Landwirtschaft tätig.
Aufgrund der Kriegsbedingungen ab 1939/40 werden die Brüder Ernas zum Militär beordert - die älteren Schwestern wohnen inzwischen nicht mehr zu Hause. Erna bleibt somit nur noch als die einzige regulär verbliebene Arbeitskraft neben ihren Eltern im landwirtschaftlichen Familienbetrieb zurück.
Die Versorgungslage im Krieg bringt es mit sich, dass jetzt von jedem Bauernhof zwangswirtschaftlich die von der NS-Bauernschaft, dem »Reichsnährstand«, genau festgesetzte Ertragsmengen von Acker und Vieh abzuliefern sind!
Diese insgesamt sich steigernden Gesamtanforderungen belasten Erna zunehmend. Das auferlegte erhöhte Arbeitspensum kann sie so – zumeist auf sich allein gestellt – auf Dauer nicht mehr bewältigen. Hinzu tritt ein schleichend einsetzendes Verlustempfinden von Geborgenheit und Sicherheit als Jüngste jetzt in einer schrumpfenden ehemaligen Großfamilie, sowie die sich gleichermaßen verstärkenden Kriegs- und Zukunftsängste und eine daraus resultierende allgemeine Perspektivlosigkeit – Erna resigniert. Es kommt bei ihr zuerst zu Bummeleien aber dann auch zu Auflehnungen gegenüber den Eltern und zu kompletten Arbeitsausfällen.
Solche Unregelmäßigkeiten in einer nun als »kriegswichtig« eingestuften Landwirtschaft müssen bei der örtlichen »NSV-Volkspflegerin« (»Braune Schwester«) angezeigt werden – und die ordnet nun eine umfassende amtsärztliche Überprüfung des aktuellen Leistungsvermögens der 19 Jahre alten, schmächtigen, überforderten, körperlich »ausgebrannten«, doch intellektuell wohl unterforderten Erna an – (1,73 = Notenschnitt im Schul-Abschluss-Zeugnis – sie »will nicht mehr zu Hause bleiben, sondern unter intelligente Menschen gehen« [Zitat]) . . .
Verschiedene Formen des Er-Innerns
bewahren das Andenken an Erna Kronshage. Die »klassischen« Memorials wie Gedenktafel und Stolperstein werden ergänzt durch Informationen dazu von Beiträgen auf verschiedenen Social-Media-Plattformen, eine Graphic-Kurzstory, eine szenarische Theaterarbeit in Anlehnung an die Biografie, sowie die verschiedenen Vortragsformen für ganz unterschiedliche Zielgruppen, die das Opferschicksal Ernas beleuchten,
um so ein angemesenes
»Er-Innern/Ver-Innerlichen« zu ermöglichen – .
H E U T E I S T D A S G E S T E R N V O N M O R G E N
»Zweck der Gedenkkultur ist das Gedenken selbst.«
»Ich gedenke meiner ermordeten Vorfahren nicht, um das Heute zu verstehen oder das Morgen zu ändern. Ich erinnere mich, weil sich zu erinnern menschlich ist und sich nicht zu erinnern unmenschlich. Das Gedenken ist ein absolutes Humanum, und erst als solches, frei von der Zweckzuschreibung oder Zweckentfremdung, wird es fähig, Wert und Würde des Lebens ins Bewusstsein zu heben.
Aber auch das Morgen kann man natürlich nicht außer Acht lassen. Man sitzt ohnehin einer optischen Illusion auf, wenn man glaubt, die Vergangenheit entferne sich kontinuierlich.
Wir wissen, der Raum ist krumm. Je ferner das Gestern nach hinten rückt, desto unmittelbarer schreitet es von vorn wieder auf uns zu.« (Auszug aus einem Text von Alexander Estis: »Jetzt ist Schluss!«)
An jedem einzelnen Eugenik- & »Euthanasie«-Verbrechen –
bei ca. 300.000 Ermordungen und 400.000 Zwangs-sterilisationen – sind beim jeweiligen Durchführungsprozess oft mehr als 10–15 Personen beteiligt oder mitinformiert. Dazu gehörten z. B. Ärzte, Richter, Beamte, Polizisten, Schwestern, Pflegepersonal, Zugführer, Busfahrer und Leichenbestatter – um nur einige zu nennen.
Und da die Opfer und Betroffenen zumeist aus der »Mitte der Gesellschaft« stammen, sind auch die nächsten Angehörigen, Nachbarn und Denunzianten ja irgendwie mit involviert.
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