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GESCHICHTE(N). LEBEN. ERZÄHLEN.

gestern: heute: morgen:

Thema "NS-Euthanasie" in einer Förderschulklasse

 

Skizzen aus einer Förderschule ...

 

Vorstellung eines Einzelschicksals der NS- "Euthanasie" in einer Abschlussklasse von Schülern mit Beeinträchtigungen

 

Über 160 Schülerinnen und Schüler mit Körperbehinderungen, Beeinträchti-gungen des Lernens durch Bewegungs- und Wahrnehmungsstörungen sowie Mehrfachbehinderungen bekommen in der Albatros-Schule in Bielefeld-Senne eine besondere auf ihre jeweilige Beeinträchtigung zugeschnittene Förderung.

 

Im Vordergrund steht die Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften und den Therapeuten und Therapeutinnen einer angegliederten Abteilung für Ergotherapie und Krankengymnastik sowie das Lernen und Leben im Ganztagsunterricht in kleinen Klassen nach individuellen Förderplänen.

 

So können größtenteils auch Schüler mit schweren Mehrfachbehinderungen in das Unterrichtsgeschehen und den Schulalltag integriert werden. Sie erleben gemeinsamen Unterricht, Spiel, Mahlzeiten, Pflege, Selbstständigkeitstrainig und therapeutische Behandlung.

 

In den Klassen arbeiten Sonderschullehrkräfte und Fachlehrerinnen als Team, das zeitweise unterstützt wird von einer Kinderpflegerin, Krankenschwester oder "Bufdis" (Bundesfreiwilligendienstleistende) bzw. jungen Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr.

 

Jeweils 9 - 12 Schülerinnen und Schüler bilden eine Klassengemeinschaft und haben zusätzlich zum Klassenraum auch einen Förderraum für individuellen Unterricht, Spiel, Mahlzeiten oder Ruhephasen zur Verfügung. Neben einigen Therapieräumen für Ergotherapie, Psychomotorik, Krankengymnastik benutzen die Schüler auch ein Therapieschwimmbad, einen Werkraum, Musikraum und eine Lehrküche.

 

Auf Einladung der Lehrerin Frau Rohe-Peitzmann im Februar 2017, besuche ich eine Abschlussklasse dort, die sie mit einer weiteren Lehrkraft, Herrn Palm, und zwei Unterrichtshelfern betreut: eine Klassengemeinschaft, bestehend aus 11 jungen Männern und einer jungen Frau im Alter von 17-18 Jahren mit unterschiedlichen multiplen kognitiven Handicaps oder auch Mehrfachbehinderungen.

 

Ich habe mich auf diesen Besuch besonders vorbereitet, denn ich sollte dort vom NS-Euthanasie-Schicksal meiner Tante Erna Kronshage berichten, wobei mir Frau Rohe-Peitzmann schon in der Einladung mitgeteilt hat:

 

"Das Thema 'Euthanasie' stellt für diese Schülergruppe natürlich eine besondere Herausforderung dar, da sie in der NS-Zeit ebenfalls davon betroffen gewesen wären."

 

Es ist also schon eine echte Herausforderung, für alle Beteiligten - aber es ist wichtig, dass gerade im Zeitgeist der "Inklusion" - der gleichberechtigten Hereinnahme und Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Prozess mit individuell unterschiedlich Nuancen und Wesenäußerungsmöglichkeiten - dass dieser Personenkreis aus den notwendigen und gerade sie betreffenden geschichtlichen Informationen nicht ausgeklammert oder aus einer falschen Rücksichtnahme "geschont" werden darf.

 

Ich habe also meine bisherige "Routine"-PowerPoint-Präsentation einige Male entsprechend überarbeiten müssen und in den gezeigten Bildexponaten auch reduziert und holzschnittartig vereinfacht - besonders eben auch die Sprache in den Erläuterungstexten - und habe aber trotzdem versucht, die immanente Komplexität des damaligen endgültigen "Euthanasie"-Geschehes um Erna Kronshage in seinen diffizilen Gegebenheiten angemessen modifiziert aber nicht geschönt mitzuteilen und "rüberzubringen".

 

Nach verschiedenen Auslesen blieb dann ein Kern von 23 Bildimpressionen mit überarbeiteten einfachen Texten dazu übrig:

 


Erna Kronshage ShortMagazine 23

 

Ich traf in der Albatrosschule selbst dann auf eine sehr gut vorbereitete Klassengemeinschaft, die als Einstimmungs-Aufgabe den Ablauf von Ernas Schicksal bereits in erarbeiteten Abschnitts-"Schlagzeilen" auf ein Plakat in die richtige Reihenfolge untereinander geklebt hatte, anhand der Vor-Informationen aus den einschlägigen Internet- und Memorial-Blogs.

 

Und meine größte Sorge, vielleicht sprachlich nicht richtig "rüberkommen" zu können, verflog eigentlich rasch beim Anblick der Fragen, die die Schüler und die Schülerin formuliert und aufgeschrieben hatten:


Ein Schüler z.B. interessierte sich da selbstständig - wörtlich - :

 

"Auf welcher Basis wurde die Diagnose (Schizophrenie) gestellt?"

 

- und das war ja nun mal reine und gar nicht behinderte "Inklusions-Hochprache" und zeugte von Neugier und Interesse, die ich selbst bei manchen meiner Treffen zu dem Thema mit Schülern im Hochschulbereich kaum angetroffen habe.

 

Überhaupt überraschte mich die Lebendigkeit und die jeweils total angemessene Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit zu diesem gerade auch für diese Gruppe heiklen Thema - und eben auch das emotionale Mitgehen und Dranbleiben - bis zu bitteren Neige: nämlich Ernas gewaltsamer Tod nach einem 484-Tage andauernden Martyrium ...

 

Die vielen selbständigen und unverblümten Bewertungen seitens der Schüler dazu und ihre folgerichtigen Zusammenfassungen zu den Bildinformationen und Schicksalsdetails haben mich tief beeindruckt. Eine hier zu diesem "Euthanasie"-Thema motivierte und hochinteressierte Schülergruppe, deren körperliche oder auch geistige Beeinträchtigungen für mich in Vergessenheit gerieten - und die sich trotz aller Handicaps und sicherlich auch schon erlebter Diskriminierungen im gelebten Alltag einen ausgezeichneten "gesunden Menschenverstand" bewahrt haben.

 

Da war bedeutend mehr Informationshunger und Geschehens-Teilnahme als bisher bei "gehobeneren" Präsentationen in Schülergruppen oder Fachgruppen oder auch in "Alten-Cafés", die ich bisher in den Jahren zuvor mit diesem Thema besucht hatte.

 

Die betroffenen Rückmeldungen am Ende lauteten zum Beispiel:

  • "Wie können Ärzte nur so etwas tun - Erna suchte ja Hilfe - und stattdessen wurde sie umgebracht ..." -
  • "Die Erna hat bis zu ihrem Tod viel Schreckliches erlebt. Wir wollen jetzt aber auch noch den 'Stolperstein' für sie besuchen und ihr Geburtshaus sehen ..." -
  • "Wie schrecklich wäre das - wenn wir alle zwangssterilisiert würden. Das war ein Verbrechen...".
  • "Die Erna muss ja schrecklich sauer gewesen sein auf ihre Schwester, weil die ihr ja solche Dinge aus Gütersloh gar nicht erzählt hat" ... -                Ich: Nee - die Frieda hatte das aber auch ganz anders - ohne Probleme oder Einschränkungen hinterher überstanden ... -                                    "Ach, weil damals die Nazis noch nicht so weit waren ?" -                                  Ich: Nee - Frieda war ja 1939 dort, als die NS-Psychiatrie eigentlich schon voll im Gange war - aber sie hatte eben neben ihrer reaktiven Aufarbeitung einer Errgeungssituation am Arbeitsplatz überhaupt keine auffällige Erkrankung - sondern ging nach 4 Wochen 'Erholung' und Erlebnisbewältigung wiederhergestellt nach Hause ...
  • "Wenn wir damals gelebt hätten, wären wir heute nicht am Leben."
  • "... und man kennt das ja - wenn einer zu lange trauert - ist er 'depressiv' ..."

Diese Schülergruppe beschäftigt sich gleichzeitig in Unterrichtseinheiten mit den "Menschenrechten" - und dieses Thema "Euthanasie" war dazu eine gute Ergänzung - aber man spürte dazu auch ein  Selbstbewusstsein jedes Einzelnen dazu:

 

"Ich bin ich -
und ich bin wer -
und ich persönlich beurteile das Leben 
und die Situationen aufgrunddessen,
was um mich geschieht oder geschehen ist ..."

 

Da ich selbst 40 Jahre in verschiedenen Professionen mit und bei behinderten Menschen gearbeitet habe, bin ich über die angetroffene für mich so überraschend "neue" selbstbewusste und selbständige Entwicklung und das emotional angemessene Mitgehen bei all den Geschehnissen ganz begeistert ...

 

 

Literaturhinweise dazu u.a.:

  • George, Uta: Kollektive Erinnerung bei Menschen mit geistiger Behinderung. Das kulturelle Gedächtnis des nationalsozialistischen Behinderten- und Krankenmordes. Eine erinnerungssoziologische Studie, Bad Heilbrunn 2008. - http://www.pedocs.de/volltexte/2009/2025/pdf/P13394_George_D_A.pdf
  • George, Uta: Historisch-politische Bildung für Menschen mit Lernschwierigkeiten an der Gedenkstätte Hadamar, in: Hessische Blätter für Volksbildung, „Politische Bildung“, Heft 4 (2010), S. 360-368.
  • George, Uta/ Göthling, Stefan (Hg.): „Was geschah in Hadamar in der Nazizeit?“ Ein Katalog in leichter Sprache (= Schriftenreihe „Geschichte verstehen“ des Vereins zur Förderung der Gedenkstätte Hadamar e.V. und des Netzwerkes People First Deutschland e.V., H 1), Kassel 2005.
  • George, Uta/ Winter, Bettina: Wir erobern uns unsere Geschichte. Menschen mit Behinderungen arbeiten in der Gedenkstätte Hadamar zum Thema NS-„Euthanasie“-Verbrechen, in: Zeitschrift für Heilpädagogik, Nr. 2 (2005), 56. Jahrgang, S. 55-62.
  • George, Uta/ Winter, Bettina: „Wir entdecken unsere Geschichte“. Menschen mit Lernschwierigkeiten als Akteurinnen und Akteure der Erinnerung, in: Politikferne und bildungsbenachteiligte Menschen als Zielgruppe politischer Bildung, Außerschulische Bildung. Materialien zur politischen Jugend- und Erwachsenenbildung Nr. 3 (2008), S. 296-300.

 

Nach ein paar Tagen erreichte mich dieser Mail-Anhang aus der Albatros-Schule

Weitere Info- und Schulveranstaltungen zur Opferbiographie Erna Kronshages

 

Anfragen zu Vorträgen zur NS-Euthanasie-Ermordung Erna Kronshages erreichten mich darüber hinaus wenigstens bis zur Corona-Pandemie sporadisch von Abschlussklassen oder Geschichts-Leistungskursen verschiedener Schulen - aber auch von Senioren-Gruppen aus Gemeinden - vornehmlich aus Gütersloh und Sennestadt - und von Schüler*innen, die an einer Psychiatrie-Orientierungswoche in der LWL-Klinik in Gütersloh teilnahmen.

 

Ich zeige per Powerpoint-Präsentation ca. 60 - 90 Minuten von mir "in real life" kommentierte Bilder zum Leben & und zur Ermordung Erna Kronshages - mit anschließenden Fragerunden und Diskussionsbeiträgen.

 

Mir ist dabei aufgefallen, dass die Schüler*innen nur sehr oberflächlich jeweils auf das Thema vorbereitet waren - und dass es Probleme gab in den Begrifflichkeits- und Milieutransfers über diese Erlebensdistanz von über 80 Jahren: die Lebens- und Arbeitsbedingungen eines kleinen Landwirtschaftsbetriebes bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts - und zum Ende hin seine Einbindung in die "Pflichtversorgung des 'Deutschen Volkes'" - mit entsprechender Dienstverpflichtung der dort Tätigen - sind nur schwer angemessen zu vermitteln/"rüberzubringen" - doch kann man das Schicksal Erna Kronshages wohl kaum nachvollziehen und erfassen ohne dieses Hineinversetzen in die damalige Zeit und in dieses Konglomerat von Individualbedingungen in einer uniformierten Gesellschaft.

 

Bei einer adäquateren Vorbereitung auf das Gesamtthema könnte ich mir dazu auch - wahrscheinlich lebendiger - eine ergiebige Podiums-Diskussions-Runde oder ein Interview-Format mit einer Einführung durch eines der vorhanden Videos ( 5-10 min.) vorstellen.

 

 

Auch ein vorbereitet konzipierter "Bildungsweg" direkt zum Stolperstein und zum Geburtshaus Erna Kronshages in "real life" wären sicherlich denkbar - und müssten noch erprobt werden.

 

Ich möchte nicht etwa mit einem "Werbe"-Flyer solche Info-Veranstaltungen extra "anbieten" - oder dazu gar "tingeln" gehen - sondern lasse mich gern dazu per Mail oder Telefon einladen (beachte dazu die Hinweise im Impressum).

 

 

 

 

 

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