GESCHICHTE
Grütters legt Konzept für Erinnerungsort "VERNICHTUNG & GEWAlt" in Berlin vor
Unter der Federführung des Deutschen Historischen Museums soll ein Konzept erarbeitet werden
Laut »Bild am Sonntag« und Katholischer Nachrichten-Agentur (KNA) hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) ein Konzept für die Errichtung einer Gedenk- und Bildungsstätte zum deutschen Vernichtungskrieg und zu den Verbrechen der Besatzung im Zweiten Weltkrieg vorgelegt.
In dem dreiseitigen Papier, das auch der KNA vorliegt, heißt es unter anderem: »Dabei soll zum einen die Verbindung von rassenideologischer Eroberungspolitik, Gewaltandrohung, Krieg und Diplomatie behandelt werden wie auch die Praxis der Gewalt in ihren verschiedenen Formen dargestellt werden.«
An dem Gedenkort soll es mehrere Schwerpunkte geben - etwa zu
Auf diese Weise werde die Geschichte Europas unter deutscher Besatzung »in bisher einmaliger Weise im Zusammenhang dokumentiert und dargestellt«.
Unter der Federführung des Deutschen Historischen Museums (DHM) soll bis Ende 2021 ein Konzept für Dauer- und Wechselausstellungen zum Thema erarbeitet werden. Mit dessen Realisierung könne dann 2022 begonnen werden, sagte Grütters weiter: »Der Zweite Weltkrieg und die Verbrechen in deutschem Namen prägen Europa bis heute. Deshalb ist es von großer Bedeutung, dass wir die Geschichte der deutschen Besatzungsherrschaft noch genauer aufarbeiten, dokumentieren und einer breiten Öffentlichkeit vermitteln.«
Die ersten Schritte zur Umsetzung dieses »erinnerungspolitisch so bedeutsamen Vorhabens« seien jetzt gemacht. Der Bundestag hatte im Oktober 2020 die Bundesregierung aufgefordert, ein solches Konzept zu erstellen.
dpa - Jüdische Allgemeine vom 03.01.2021 - (Auszug - Hervorhebungen: si)
„Ein Mahnmal gegen Diktaturen“
Ein Gespräch mit Elmar Brok über die künftige Gedenkstätte in Stukenbrock. Der ehemalige Europa-Politiker plädiert dafür, auch den Kreis Paderborn an der
Trägerschaft für Stalag 326 zu beteiligen.
Schloß Holte-Stukenbrock. Der langjährige Europaabgeordnete Elmar Brok (CDU) plädiert dafür, auch den Kreis Paderborn an Errichtung und Betrieb der geplanten großen Gedenkstätte Stalag 326 zu beteiligen. Brok (74), der selbst aus Schloß Holte-Stukenbrock stammt und im Lenkungskreis zur Vorbereitung der Gedenkstätte mitarbeitet, hält dies für sinnvoll, nicht nur wegen der Nähe der künftigen Gedenkstätte zum Kreis Paderborn.
Dem Kreis Paderborn, zu dem Stukenbrock bis 1970 gehörte, sei es zu verdanken, dass es den Ehrenfriedhof für die vielen im Kriegsgefangenenlager Stalag 326 ums Leben gekommenen sowjetischen Soldaten überhaupt in seiner heutigen Form gebe. Außerdem gehöre der „Russenpatt“, auf dem viele der gequälten Sowjet-Soldaten vom Bahnhof Hövelhof in das Gefangenenlager marschieren mussten, zum Gedenken an die Leiden der Soldaten der ehemaligen UdSSR.
Nachdem der Bund 25 Millionen Euro für die Errichtung der Gedenkstätte bereitgestellt hat, hat der NRW-Landtag in seiner Sitzung kurz vor Weihnachten weitere 25 Millionen Euro bereitgestellt. Damit ist das ehrgeizige Projekt, das inzwischen parteiübergreifend unterstützt wird, gesichert.
In einem nächsten Schritt muss eine Trägerkonstruktion für die Gedenkstätte gefunden werden. Gedacht ist an eine Stiftung in der neben dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe auch die Stadt Schloß Holte-Stukenbrock und der Kreis Gütersloh beteiligt werden sollen. Und nach Broks Auffassung eben auch der Kreis Paderborn.
In dem Lager in der Senne wurden nicht nur russische, sondern auch viele Soldaten anderer zur Sowjetunion gehörender Volksgruppen wie zum Beispiel Ukrainer und Kasachen unter menschenunwürdigen Bedingungen gefangen gehalten und gequält. Tausende von ihnen wurden zur Zwangsarbeit ins Ruhrgebiet oder auf westfälische Bauernhöfe geschickt.
Für viele der 1945 von den US-Amerikanern befreiten Überlebenden des Lagers endete das Martyrium nicht. Weil sie dem stalinistischen Regime der UdSSR als feige galten – sie waren schließlich nicht den „Heldentod“ gestorben, wurden sie in sibirische Lager verbannt.
Brok betonte im Gespräch mit dieser Redaktion auch, dass das Stalag 326 mit seinen Folgenutzungen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auch ein Mahnmal gegen alle Diktaturen im Europa des 20. Jahrhunderts war.
Unmittelbar nach Kriegsende wurde das Gelände zunächst von den Alliierten als Gefangenenlager für NS-Verbrecher genutzt, dann weitere 30 Jahre als Auffanglager für Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reiches – „eine Folge der Westverschiebung Polens, die wiederum eine Folge der Kumpanei zwischen Hitler und Stalin zu Beginn des Zweiten Weltkrieges war“, sagt Brok. Beim Ausbruch des Krieges 1939 hatten Hitler und Stalin vereinbart, Polen zu zerschlagen. Die deutschen Truppen marschierten von Westen in Polen ein, Sowjettruppen vom Osten. Später fanden die Flüchtlinge vor der SED-Diktatur ihre Heimstatt im auf dem Gelände des ehemaligen Stalag errichten Sozialwerk Stukenbrock.
„Alle diese Zusammenhänge sollten in der Gedenkstätte deutlich werden“, sagt Brok, dessen Ehefrau zu den DDR-Flüchtlingen im Auffanglager Stukenbrock gehörte. Sie war 1958 als Neunjährige mit ihren Eltern und einem Bruder aus Brandenburg in Stukenbrock eingetroffen.
Brok betonte, durch den Blick auf die spätere Nutzung des Stalag-Geländes sollten die Qualen der Sowjet-Soldaten keinesfalls relativiert werden. Die Russen, Ukrainer und Kasachen seien von den Nazis als Untermenschen betrachtet und auch so behandelt worden. Das werde auch deutlich dadurch, dass die Insassen eines benachbarten Franzosen-Lagers besser behandelt wurden als die sowjetischen Gefangenen. „Dies zeigt den fürchterlichen Rassismus des NS-Regimes“, so Brok.
Projekt STALAG 326 wird konkreter
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe kann jetzt in Berlin den Förderantrag für das Großvorhaben stellen. Die
Gedenkstätte soll Ziel für 200.000 Besucher pro Jahr werden.
Von Lothar Schmalen | NEUE WESTFÄLISCHE v. Freitag,
26.06.2020 - S.8 Kultur/Medien
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) bereitet einen Antrag auf Fördermittel bei der
Bundesregierung für den Ausbau der Dokumentationsstätte Stalag 326 in Schloß Holte-Stukenbrock zu einer Gedenkstätte von gesamtstaatlicher Bedeutung vor. Der
Landschaftsausschuss, das ist nach der Landschaftsversammlung das höchste politische Gremium des Landschaftsverbands, soll die LWL-Verwaltung in seiner Sitzung am heutigen Freitag damit
beauftragen.
Die schematische Zeichnung aus einer Machbarkeitsstudie zeigt eine erste Idee, wie die Dauerausstellung und eine ebenfalls geplante Forschungsstelle auf dem Gelände der Gedenkstätte Stalag 326 untergebracht werden könnte. Illustration: Atelier Brückner Stuttgart
Das Anliegen wird längst parteiübergreifend befürwortet. Das ist nach Informationen dieser Redaktion auch bei
einer Zusammenkunft aller Landtagsabgeordneten aus Ostwestfalen-Lippe am Dienstag dieser Woche deutlich geworden. Die Abgeordneten hatten sich auf Einladung der Detmolder Regierungspräsidentin Judith
Pirscher (FDP) im Landtag getroffen. Einziger Tagesordnungspunkt: Stalag 326. Landtagspräsident André Kuper (CDU), der das Projekt an der Spitze einer Lenkungsgruppe vorantreibt, berichtete über den
Planungsstand.
Noch steht die genaue Trägerstruktur der Gedenkstätte nicht fest. Klar ist aber, dass der Landschaftsverband, der
Kreis Gütersloh, die Stadt Schloß Holte-Stukenbrock, das Land NRW und der bisherige Förderverein der Dokumentationsstätte eingebunden werden sollen. Die Anteile der Finanzierung von Ausbau und
Betrieb der Gedenkstätte müssten noch ausgehandelt werden, heißt es im Entwurf einer Absichtserklärung der beteiligten Einrichtungen, die dieser Redaktion vorliegt. Kostenschätzungen für die
Einrichtung und den Betrieb einer großen Gedenkstätte liegen bislang öffentlich noch nicht vor.
Einer Machbarkeitsstudie, die vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe beim renommierten Atelier Brückner in Stuttgart in Auftrag gegeben und von der Landeszentrale für politische Bildung finanziert wurde, sind erste optische Ideen für eine
Gestaltung der Gedenkstätte zu entnehmen. Außerdem entwickelten die Stuttgarter Experten Ideen für eine inhaltliche Gestaltung der Dauerausstellung. Als Ziel ist in der Studie eine Zahl von 200.000
Besuchern im Jahr angeben. Im Vergleich mit anderen NS-Gedenkstätten in Deutschland läge Stukenbrock damit zwischen den Gedenkstätten Neuengamme bei Hamburg (138.000 Besucher) und Bergen-Belsen bei
Celle (240.000 Besucher). Eingebunden werden in die Gedenkstätte soll auch der sowjetische Ehrenfriedhof unmittelbar neben dem Lager. Hier sind Schätzungen zufolge zwischen 16.000 und 65.000 Tote
begraben. Geplant ist außerdem ein Neubau mit 4.000 Quadratmetern Nutzfläche, in dem ein Besucherzentrum mit Dauerausstellung (2.000 Quadratmeter), ein Seminarbereich mit Übernachtungsmöglichkeit
(1.000 Quadratmeter), eine Forschungsstelle (320 Quadratmeter) und Verwaltung sowie Förderverein (500 Quadratmeter) untergebracht werden sollen. Hinzu kommt ein Parkplatz mit 3.200
Quadratmetern.
Mit dem Antrag auf Fördermittel des Bundes, dessen Erfolg eine entscheidende Voraussetzung für die Realisierung der
Gedenkstätte ist, befasst sich seit Monaten eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe, in der neben verschiedenen Abteilungen und Einrichtungen des LWL wie Museumsamt, Institut für Regionalgeschichte,
Medienzentrum, Archäologie, Kulturabteilung und Preußenmuseum auch die Landeszentrale für politische Bildung und der örtliche Förderverein der bisherigen Dokumentationsstätte Stalag 326 mitarbeiten.
Die Beteiligung des Fördervereins und seiner vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter und Helfer, die die Arbeit der Dokumentationsstätte über Jahre getragen haben, ist den Projektmachern ein wichtiges
Anliegen, wie Landtagspräsident André Kuper immer wieder betont.
Stalag 326 – die Abkürzung steht für Stammlager 326. Gemeint ist damit eines der größten Lager überwiegend für sowjetische Kriegsgefangene, aus dem vor allem das Ruhrgebiet mit Zwangsarbeitern versorgt wurde. Insgesamt durchliefen rund 300.000 Internierte das Stalag 326. Über die Zahl der Todesopfer unter den Gefangenen des Lagers, in dem unmenschliche Bedingungen herrschten, gibt es nur Schätzungen. Insgesamt kamen im Zweiten Weltkrieg zwischen zwei und drei Millionen sowjetische Kriegsgefangene ums Leben, sie sind nach den Juden die zweitgrößte NS-Opfergruppe. Bestandteil der geplanten Gedenkstätte soll auch die Nachkriegsverwendung des Lagerareals sein. Hier wurden 1945/46 mutmaßliche NS-Kriegsverbrecher interniert, in den Jahrzehnten danach war es Auffanglager für Vertriebene aus den Ostgebieten des ehemaligen Deutschen Reichs. (los)
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Dieses Werk zum Thema von Karl Hüser
und Reinhard Otto erschien bereits 1992: vor 28 Jahren -
und so lange ist es schon in meinem bücherschrank
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mein gott - das wird jetzt so dahinformuliert und hochjubiliert, wenn nun 75 jahre (i.W.: fünfundsiebzig
jahre) nach kriegsende endlich eine angemessene gedenkstätte für dieses hunger- und massenmord-vernichtungslager mit seinem massengrab-friedhof offiziell und "parteiübergreifend" nicht etwa schon
errichtet, sondern lediglich ins auge gefasst und beantragt wird.
dieses thema begleitet mich eigentlich schon mein leben lang, und besonders erinnere mich an das politische
gezerre und klein-klein um die jährliche veranstaltung "blumen für stukenbrock", wo ich sogar augenzeuge wurde, wie man auf den gräbern der sowjetischen kriegsgefangenen und
zwangsarbeiter sich handfeste scharmützel lieferte: die dkp und alle roten genossen gegen die "ordnungskräfte" - und gegen die kräfte, die die "toten helden" jeweils für sich reklamieren wollten
damals - und die jeweils "richtige" ehrung fand dann in unversöhnlicher konkurrenz der verschiedenen interessengruppen und parteien untereinander statt.
und dazwischen die russischen goldbeschlagenen uniform-schirmmützenträger des salutierenden russischen militärs
von der militärmission in bünde, die ihren kranz mit den blutroten schleifen und kyrillischer aufschrift niederlegen wollten am ehrenmal - unter gellendem pfeifkonzert des missfallens: von
tatsächlicher trauer und ehrenbezeigung war da keine spur.
und dazwischen dann prominente politiker wie pfarrer albertz, der zwischen den parteien damals vermitteln wollte
- aber natürlich auch seine politische meinung dazu hatte - und auch vortrug...
»Es muss dargestellt werden, wie der Kalte Krieg und der damit einhergehende Antikommunismus eine sachliche
Behandlung des Lagers und des Friedhofs mit seinem von den Überlebenden errichteten Obelisken verhinderte, was zum Verschweigen geschichtlicher Tatsachen und Nichtbeachtung in der
Nachkriegs-Gedenkkultur führte«, sagte der vorsitzende des arbeitskrises "blumen für stukenbrock"
hubert kniesburges noch 2018 dem bielefelder "westfalen-blatt".
es war über jahrzehnte ein einziges hin-und-her im stockkonservativen stukenbrock-umfeld, in dem zusammentreffen
mit linken totenehrern von der dkp, der kpdml, dem sds u.a.m.: und ich erinnere mich an eine außer sich tobende frau, die mit weißen stöckelschuhen auf die roten kranznelken auf einem grab
herumtrampelte - und lauthals "faschisten!" brüllte und "lügner!", aber sich der tragischen karikaturwirklichkeit in dieser ihrer szene gar nicht bewusst war.
und wenn ich dann heutzutage diesen entwurf sehe, wo wahrlich nicht mehr gekleckert sondern - parteiübergreifend!
- geklotzt wird, wenigstens wenn es um die "antragstellung" für dieses "projekt" geht, kann ich mir nur die augen reiben - und mich kneifen, ob ich wache oder träume...
und doch: es bleibt für mich der hauch von schmach: dieses "zu spät" - und ich werde das gefühl nicht los, als
wären es wieder eher "parteipolitisch motivierte 'einigkeiten'" - verbunden mit irgendeinem "deal" - vielleicht mit einem "deal" gegen afd und ganz rechtsaußen - als dass es diesmal tatsächlich um
die rein menschlichen aspekte aufrichtiger trauer, aufrichtiger ehrung, aufrichtiger reue, und aufrichtiger erinnerung wären - ich kenne ja meine pappenheimer ...
zum tag der befreiung des stalag vor 75 jahren habe ich erst kürzlich hier im blog einen beitrag gebracht:
https://sinedi-blog.blogspot.com/2020/04/befreiung-des-stalag-326-stukenbrock.html
bei meiner recherche jetzt stieß ich auch auf weitere interessante links zum thema:
https://stalag326.de/digitale-ausstellung-unter_menschen/
Das Ende des Grauens
Befreiung des Stalag 326 jährt sich zum 75. Mal
Von Monika Schönfeld | WB
Schloß Holte-Stukenbrock. Sie sahen aus wie von den Toten auferstanden: verwahrloste Männer,
abgemagert, krank, schmutzig, gehalten wie Tiere. Was die Soldaten der zweiten US-amerikanischen Panzerdivision am 2. April 1945 am Rande des Truppenübungsplatzes in Stukenbrock vorfanden, ließ ihnen
den Atem stocken. An diesem Tag wurde das größte Lager der Wehrmacht für sowjetische Kriegsgefangene und Verschleppte im Gebiet des damaligen Deutschen Reiches befreit.
In der Zeit zwischen 1941 und 1945 durchliefen etwa 300.000 Gefangene das „Stalag 326“ zur Musterung von Zwangsarbeit im Ruhrbergbau, auf Höfen und in Fabriken.
Schätzungen zufolge starben bis zu 65.000 aufgrund der katastrophalen Lagerbedingungen, in dem nah gelegenen Lazarett Staumühle (Hövelhof, Kreis Paderborn) und den Arbeitskommandos. Die Toten wurden
in Massengräbern einen Kilometer entfernt verscharrt – auf dem heutigen Sowjetischen Ehrenfriedhof.
Nach den Juden waren sowjetische Kriegsgefangene mit mehr als drei Millionen Toten die zweitgrößte Opfergruppe der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg. Diese
„vergessene Gruppe“ aus dem Erinnerungsschatten zu holen, ist der Auftrag, den vor fünf Jahren der damalige Bundespräsident Joachim Gauck erteilt hat. Er war zum 70. Jahrestag des Kriegsendes zur
Gedenkveranstaltung in Stukenbrock und hat die erste der Stelen enthüllt, die die Namen der bisher knapp 16.000 identifizierten Toten tragen.
„Es gab einige Projektteams, die bereits in den 1990er-Jahren zu den sowjetischen Kriegsgefangenen geforscht haben. Im Expo-Jahr 2000 haben wir versucht, den
Bekanntheitsgrad des Stammlagers aufzuwerten“, sagt Oliver Nickel, Geschäftsführer der Gedenkstätte Stalag. Während die Gräueltaten in Konzentrationslagern bekannt sind, weiß kaum jemand etwas über
die Kriegsgefangenenlager. »Die Bedingungen in dem Lager haben sich eigentlich nicht sehr von denen in einem KZ unterschieden«, sagt Oliver Nickel. Auf dem Papier war das Stalag 326 (VI K) ein
Kriegsgefangenenlager. Es unterstand nicht der SS, wie die Konzentrationslager, sondern der Wehrmacht. Es war auch kein Vernichtungslager, wie zum Beispiel Auschwitz, wo die Juden in die Gaskammern
geschickt wurden. „Ich habe aber mit ehemaligen Gefangenen gesprochen, die sagten: ‚Was für die Juden Auschwitz war, war für uns Stukenbrock‘“, erzählt Nickel.
Seit 1996 gibt es die Dokumentationsstätte Stalag 326 im Arrestgebäude des ehemaligen Lagers, am Original-Schauplatz. Denn das Gelände des Stalag war nach dem Krieg
zwei Jahre lang Internierungslager für Wehrmachtsoffiziere, von 1948 bis 1970 wurden die alten Baracken weiter genutzt, um hier Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten aufzunehmen, später
DDR-Flüchtlinge und Spätaussiedler. Das „Sozialwerk Stukenbrock“ wurde von verschiedenen Organisationen getragen, hatte Kinder- und Altenheime, Theater, Geschäfte und war damit eine Stadt innerhalb
der Stadt. 1970 ist die Bereitschaftspolizei eingezogen, heute ist das Gelände „Polizeischule“ – der offizieller Name lautet Landesamt für Aus- und Fortbildung der Polizei und Personalangelegenheiten
NRW. Die Hoheit der Polizei auf dem Gelände schützt die Gedenkstätte, macht sie aber auch schwer zugänglich.
Um die Gedenkstätte Stalag 326 zu einem internationalen Bildungs- und Begegnungsort zu entwickeln, hat sich nach dem Gauck-Besuch ein Lenkungskreis unter der Leitung
des Landtagspräsidenten André Kuper gebildet. Das Land Nordrhein-Westfalen, die Landeszentrale für politische Bildung und der Landschaftsverband Westfalen-Lippe als obere Denkmalbehörde und
Museumsträger wollen die kleine und bisher überwiegend ehrenamtlich geführte Gedenkstätte ausbauen. Der Förderverein der Gedenkstätte hat gemeinsam mit der Polizei und Privatleuten einen Fundus von
Gegenständen wie Strohkörbchen und geschnitzten Holzlöffeln gesammelt, die die Kriegsgefangenen angefertigt haben, um sie gegen Brot zu tauschen. Es gibt Filmmaterial, Fotos, die der Lagerarzt
gemacht hat, aber auch bei Bauarbeiten im Aushub gefundene Schuhe, Blechnäpfe, Löffel. Diese Fundstücke aus Ausgrabungen haben Archäologen des Landschaftsverbandes vergangenes Jahr
dokumentiert.
Angelaufen ist die wissenschaftliche Aufarbeitung mit einem Symposium und dem inzwischen dritten Workshop. Parallel ist eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben
worden. Die Technische Hochschule OWL hat eine Synopse geliefert, Masterstudenten haben 2019 Ideen für ein Besucherzentrum auf dem Gelände vorgestellt. Das soll die denkmalgeschützten Gebäude
(Arrestgebäude, Entlausung, Lagerkirche, Lagerstraße und Sozialwerksbaracken) und das historische Umfeld mit dem Bahnhof Hövelhof, dem Lazarett Staumühle, dem Russenpatt, der Waschstelle an der Ems
mit dem Ehrenfriedhof sowjetischer Kriegstoter einbeziehen.
Bis zum 31. Juli soll der Antrag auf eine Anschubfinanzierung des Bundes gestellt sein. Bis Ende des Jahres geht es um eine neue Trägerstruktur, an der sich Stadt,
Kreis, Land und Bund beteiligen, in der der Förderverein der Gedenkstätte aber einen festen Platz behalten wird.
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Text aus: WESTFALEN-BLATT, 01.04.2020, Seite 3
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auch im studien- und memorialblog für erna kronshage habe ich im abschnitt 7: "bomben auf senne II" (7-4) vom lager stukenbrock berichtet, weil ja im bahnhof kracks, direkt vis-á-vis dem bauernhof, auf dem erna kronshage lebte und arbeitete bis zu ihrer einweisung nach gütersloh, die russischen gefangenen manchmal mit den transportzügen ankamen - und dann zum lager marschieren mussten (ca. 15 kilometer) bzw. von dort zu ihren einsatzorten abfuhren oder ankamen - oder auch in der nachbarschaft auf höfen als zwangsarbeiter eingesetzt waren:
Ab dem 10.07.1941 bis zum Kriegsende wurde das Lager STALAG 326 (VI K) Senne in Schloß Holte-Stukenbrock mit vielen Tausend russischen Kriegsgefangenen belegt, die auch teilweise in der Landwirtschaft verstreut in der Senne und wahrscheinlich in der nahegelegenen Eisen- und Stahlgießerei Tweer am Krackser Bahnhof eingesetzt wurden. Fast täglich fuhren also Gefangenentransporte in Güterwagen der Reichsbahn auf den Gleisen des Bahnhofs Kracks in unmittelbarer Sichtweise am Mühlenkamp vorbei.
Jedenfalls berichteten Zeitzeugen aus Senne II immer wieder von den "Marschkolonnen" der Gefangenen, von einzelnen Leichen, die am Rand der Schienen abgelegt wurden auf der Strecke der Sennebahn bis Hövelhof - und von verzweifelten Lebensmittelerbettelungen dieser zerlumpt und ausgemergelt daherkommenden jungen Männer, die zunächst dort im Lager in Erdhöhlen "hausen" mussten unter den unmöglichsten hygienischen Bedingungen die Seuchen und Verlausungen auslösten - fern jeder Bestimmungen der "Genfer Kriegskonvention".
Ca. 65.000 tote Kriegsgefangene wurden von 1941-1945 auf dem Lagerfriedhof in Stukenbrock begraben - zum Teil in Massengräbern (Stichwort: "Blumen für Stukenbrock")...
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aus: erna-k-gedenkblog, Abschnitt 7 (7-4) (Bildquelle: ARCHIV DER GEDENKSTÄTTE STALAG 326 (VI K) SENNE) |
"Für die Bevölkerung der Senne gehörten die Kriegsgefangenenzüge sehr bald zum Alltag und wurden kaum mehr registriert, da sie mit ihren Sorgen genug zu schaffen hatten. In der Erinnerung haftengeblieben sind nur noch die über das 'normale' Elend hinausgehenden Transporte der Jahre 1941/42 ..." (aus: Karl Hüser/Reinhard Otto | Das Stammlager 326 (VI K) Senne 1941-1945, Verlag für Regionalgeschichte Bielefeld, 1992 - S. 48).
Der Anblick dieser gezeichneten jungen Männer hat in Erna Kronshage bestimmt nachgewirkt und ihr die Schrecken des Krieges zusätzlich traumatisch vor Augen geführt. Gleichzeitig stieg mit diesen Bildern auch die Angst um ihre Brüder, die als Soldaten an der Ostfront ihren Dienst versehen mussten...
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