© Gerhard Richter 2017 (28082017)
Gerhard Richter "Tante Marianne", 1987
Dauerleihgabe
Gerhard Richter gibt Foto
von "Tante Marianne"-Bild
an Gedenkstätte
Der Maler Gerhard Richter unterstützt den Aufbau einer Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie-Morde im Nationalsozialismus in Großschweidnitz
Er stellt der Einrichtung eine den Räumlichkeiten angepasste Fotofassung seines berühmten Gemäldes "Tante Marianne" als Dauerleihgabe zur Verfügung. "Es ist eine Herzensangelegenheit für ihn", sagte Dietmar Elger, Leiter des Gerhard Richter Archivs Dresden, am Montag. Marianne Schönfelder (1917-1945) war Richters Tante und das prominenteste Psychiatrie-Opfer in der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt.
Das schwarz-weiße Doppelporträt entstand 1965 nach einem Foto vom Juni 1932 in Dresden. Es zeigt die 14-jährige Marianne, die ihren vier Monate alten Neffen auf dem Schoß hält. 1939 war sie mit der
Diagnose Schizophrenie in die Psychiatrie eingewiesen und zwangssterilisiert worden. Nach Jahren in nationalsozialistischen "Heil- und Pflegeanstalten" starb sie im Februar 1945 an
Medikamentenüberdosierung, systematischer Mangelernährung und unzureichender Pflege.
Das Doppelporträt gehört zur Gruppe der sogenannten Fotobilder, die Richter nach seiner Flucht aus der DDR Anfang 1961 begonnen hatte. Es war 2006 an einen Unternehmer aus Taiwan verkauft worden und von 2007 bis 2013 als Leihgabe im Dresdner Albertinum.
Quelle: monopol
2014 malte Gerhard Richter
vier der insgesamt sieben
heimlich fotografierten und
herausgeschmuggelten Aufnahmen
aus Birkenau auf Leinwände,
war aber mit dem Ergebnis nicht zufrieden,
übermalte sie in vielen Schichten
bis zur Unkenntlichkeit
und fragte so,
ob bildliches Dokumentieren und Erinnern angesichts des Grauens
funktionieren können.
aus: DIE ZEIT - CHRIST & WELT Nr. 26 v. 18.Juni 2020 - S. 6
Feuilleton
SAMMLUNG EIN BILD, EIN SATZ, EIN WUNDER
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Fotos: © Gerhard Richter 2020 (0087), Bernd von Jutrczenka/Picture Alliance/DPA, Ruprecht Stempell, Privat (2); Illustration: Alfred Schüssler/dieKleinert.de [M]
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Heute kuratiert von Norbert Lammert
Seine Empfehlung:
Gerhard Richter: 937-3 Birkenau (2014), Berliner
Reichstagsgebäude
Warum haben Sie dieses Bild ausgewählt?
»Der prominente Ort verdeutlicht, dass wir uns vor der Erinnerung an die grauenvollste Phase unserer deutschen
Geschichte nicht wegducken dürfen, sondern wir sie uns bewusst vor Augen führen müssen.«
Kurator im Monat Juni ist Norbert Lammert, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung und ehemaliger
Bundestagspräsident. Im August 2020 erscheint sein Buch »Christlich-Demokratische Union. Beiträge und Positionen zur Geschichte der CDU« im Siedler Verlag.
ja - mit diesem beitrag aus der neuesten "christ & welt" kam ich wieder in kontakt mit meinem blog-beitrag aus 2017, wo ich die schenkungs-übergabe gerhard richters seines eindrücklichen zyklus "birkenau" in den blick genommen und dokumentiert habe.ich will hier jetzt nicht viel heruminterpretieren, sondern diesen damaligen beitrag mit den entwurfs-vorlagen hier nochmals wiedergeben...
für mich ist diese doku auch ein authentischer einblick in eine "kunst"-werdung: wie menschlich zähes wollen & streben mit allen mitteln ein eigentlich unvorstellbares und unaussprechliches geschehen gegen alle widerstände festhalten und dokumentieren will und muss - und wie ein künstler jahrzehnte später sich dieser original-fotos annimmt und sie interpretiert mit seinen ureigenen stilmitteln - und sie zum gestus für eine erinnerungs- und gedenkkultur macht.
Gerhard Richters "Birkenau-Zyklus"
September 5, 2017
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Gerhard Richters Zyklus "Birkenau"im Bundestags-Foyer im Reichstag in Berlin - mit dpa-bildmaterial (rechts) |
"Birkenau" von Gerhard Richter
Der Blick der Opfer
Geschichte freilegen: Der Maler Gerhard Richter übergibt seinen „Birkenau“-Zyklus dem Deutschen Bundestag. VON
SIMONE REBER | Tagesspiegel
Aschgrau, Lichtweiß, dazu schrilles Rot, grelles Grün. Die Farben tun weh. Und das ist Absicht. Der eigentliche
Schmerz liegt jedoch unter der Oberfläche der Malerei. Denn für seinen „Birkenau“-Zyklus hat sich Gerhard Richter malerisch an Fotografien abgearbeitet, die Häftlinge 1944 im Krematorium von Birkenau
aufgenommen haben.
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Undarstellbarer Schrecken. Gerhard Richter – hier im Museum Frieder Burda Baden-Baden – vor den vier Bildern des „Birkenau“-Zyklus.FOTO: ULI DECK/DPA
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Am Montag übergibt der Künstler die fotografische Version des vierteiligen Zyklus als Schenkung an den Bundestag. Die vier abstrakten Großformate, die Gerhard Richter als ein einziges Werk betrachtet, hängen dann im Reichstagsgebäude an der Südwand der Eingangshalle, gegenüber von Gerhard Richters hoher Hinterglasmalerei „Schwarz, Rot, Gold“.
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So hingen die Original-Fotos in der Burda-Ausstellung 2012.
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Richter hatte die historischen Fotografien 2008 in der Zeitung gesehen und sich noch im gleichen Jahr an die
Arbeit gemacht, die ersten Versuche aber wieder zur Seite gestellt. Zwei der vier Fotos zeigen, wie Männer auf dem Hof des Krematoriums mit nackten Oberkörpern zwischen den Toten balancieren. Es sind
Häftlinge, die zum sogenannten Sonderkommando gehörten. Ihre Aufgabe war es, die Leichen der Ermordeten im Freien zu verbrennen, wenn im Krematorium kein Platz mehr war. Im Hintergrund sieht man
dicken Rauch aufsteigen.
Richter hat sich immer wieder mit der NS-Zeit befasst
Der Fotograf muss sich hinter der Tür der Gaskammer versteckt haben. Der schwarze Rahmen bestimmt den
Bildausschnitt und belegt die Position des heimlichen Beobachters. Die Bilder sind seine Botschaften aus Birkenau.
Mit der nationalsozialistischen Vergangenheit und der unscharfen Grauzone der Verdrängung hat sich Gerhard
Richter immer wieder beschäftigt. Er hat seinen Onkel Rudi, wie er in Wehrmachtsuniform lächelt, gemalt. Und er hat seine Tante Marianne gemalt, die von den Nationalsozialisten ausgelöscht wurde,
weil sie an Schizophrenie litt. Der „Birkenau“- Zyklus aber ist nach zwei Anläufen Richters erste fertiggestellte Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Schicht um Schicht legt der Maler in den
Abstraktionen seine Farben über die Perspektive des Fotografen, die Gemälde bergen den Blick der Opfer wie eine schwere Fracht in sich.
Inzwischen ist die Entstehung der Vorlagen weitgehend erforscht. Eine polnische Widerstandsgruppe schmuggelte
Film und Kamera ins Konzentrationslager. Alberto Errera, ein griechischer Marineoffizier jüdischen Glaubens, soll auf den Auslöser gedrückt haben, während andere Häftlinge des Sonderkommandos Wache
standen. So gelang es Errera im August 1944, den Massenmord zu dokumentieren.
Gerhard Richters vier Gemälde wurden 2015, ein Jahr nach ihrer Fertigstellung, erstmals im Dresdner Albertinum
ausgestellt. Ihre Entstehung ist akribisch protokolliert. Nachdem Richter die Schwarzweiß-Fotos auf die Leinwand übertragen hatte, übermalte er sie. Erst braun, wie die nackte Erde, dann rot wie das
Leiden, grün wie die perfide Waldidylle im Hintergrund, schließlich anthrazit wie die Asche und weiß wie der Tod.
Gerhard Richter malt die dunkle Trauer, aber auch die schwärende Wunde. Mit dem Rakel kratzt er die Farbe, öffnet
die Oberfläche, verschließt sie wieder, lässt die Schlieren verlaufen und schabt die Krusten ab. Aus den beunruhigenden Dissonanzen ist ein malerisches Requiem für Millionen Tote entstanden und eine
Hommage an eine Handvoll Häftlinge, die an die Wirkungskraft von Bildern glaubte.
Die Fotos wurden in einer Zahnpastatube aus dem KZ geschmuggelt
Neben den beiden Fotos aus der Tür der Gaskammer gelangen Alberto Errera auf dem offenen Hof des Krematoriums
noch zwei weitere Bilder. Eins zerriss er, es zeigt nur Bäume und Himmel. In dem zweiten ist eine Gruppe nackter Frauen zu sehen, die auf die Gaskammer warten, wie der Fotograf von seiner Arbeit im
Sonderkommando weiß. Die Fotos konnten in einer Zahnpastatube aus dem Konzentrationslager geschmuggelt werden, gelangten aber vor Kriegsende nicht an die Öffentlichkeit. Alberto Errera kam nach einem
Fluchtversuch ums Leben.
Schon in seiner ersten Arbeit für das 1999 wieder eröffnete Reichstagsgebäude experimentierte Gerhard Richter mit
Fotografien aus Konzentrationslagern. In seinem Bildarchiv, dem „Atlas“, ist ein Entwurf für die über dreißig Meter hohe Wand dokumentiert. Doch der Blick der anderen auf die Opfer entrückt diese. Am
Ende entschied er sich für den Dreiklang „Schwarz, Rot, Gold“.
Seine vier Gemälde für den "Birkenau"-Zyklus ließ der Künstler fotografieren und hinter Acrylglas versiegeln.
Eine der beiden fotografischen Weiterverarbeitungen seiner Malerei wird jetzt im Bundestag hängen.
Die schmerzenden Farben der „Birkenau“-Bilder werden sich beißen mit dem „Schwarz, Rot, Gold“. Und auch das ist
sicherlich Absicht.
Die Bilder wurden innerhalb von 15-30 Minuten von einem Insassen in Auschwitz-Birkenau, dem
Vernichtungslager im Auschwitz-Komplex, aufgenommen. In der Regel nannte man ihn nur als Alex, ein jüdischer Gefangener aus Griechenland, der ein Mitglied des Sonderkommandos war, das in und um den
Gaskammern Zwangsdienste ausführen musste.
Mehrere Quellen identifizierten ihn als Alberto Errera, ein griechischer Marineoffizier. Er nahm zwei Fotografien aus einer der Gaskammern auf und zwei draußen. Er
fotografierte aus der Hüfte, unfähig, die Kamera mit Präzision auf das Motiv auszurichten. Der polnische Widerstand schmuggelte den Film aus dem Lager in einer
Zahnpasta-Tube.Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Sonderkommando_photographs
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